Ukraine: Fahndung nach Janukowitsch wegen "Massenmordes"

Die neuen Machthaber in der Ukraine jagen den abgesetzten Staatschef Janukowitsch. Der 63-Jährige ist offenbar im Süden des Landes auf der Flucht. Seine Gegner werfen ihm Massenmord vor - und dass er die Ex-Sowjetrepublik ausgeplündert habe.

Ist untergetaucht: Präsident Viktor Janukowitsch.

Foto: dpa

Kiew (dpa). Nach dem Machtwechsel in der Ukraine hat die neue Führung den gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch wegen „Massenmordes“ zur Fahndung ausgeschrieben. Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet worden, teilte der kommissarische Innenminister Arsen Awakow am Montag auf Facebook mit. Auch nach anderen ranghohen Amtsträgern werde wegen desselben Vorwurfs gefahndet. Awakow zufolge hielt sich Janukowitsch zuletzt auf der prorussisch geprägten Halbinsel Krim auf.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte die neuen Machthaber in Kiew vor Rachegelüsten. Die künftigen politischen Führer müssten vielmehr die Eskalation der Gewalt stoppen, sagte der SPD-Politiker der spanischen Zeitung „El País“. Bei Protesten gegen Janukowitsch waren allein seit Dienstag mindestens 82 Menschen getötet worden. Dabei schossen Scharfschützen gezielt auf Demonstranten.

Die wirtschaftlich schwer angeschlagene Ukraine benötigt derweil nach eigenen Angaben 35 Milliarden US-Dollar (25,5 Milliarden Euro) Finanzhilfen. Die frühere Sowjetrepublik habe eine internationale Geberkonferenz unter Beteiligung der EU, der USA und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgeschlagen, sagte der kommissarische Finanzminister Juri Kolobow. „Wir haben unseren internationalen Partnern vorgeschlagen, uns innerhalb der nächsten ein bis zwei Wochen Kredite zu gewähren“, sagte Kolobow.

„Die Staatskasse ist geplündert, das Land ist so gut wie bankrott“, sagte Arseni Jazenjuk von der Partei der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Übergangspräsident Alexander Turtschinow hatte die wirtschaftliche Lage in einer Ansprache an das Volk am Vorabend als „katastrophal“ eingestuft.

In Kiew wurde die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zu Krisengesprächen mit der neuen Führung erwartet. Dabei sollte es auch um Finanzhilfen gehen. Zuvor hatte bereits IWF-Chefin Christine Lagarde angekündigt, ihre Organisation stehe für Unterstützung bereit - im Gegenzug für Wirtschaftsreformen. Russland hingegen hat angekündigte Milliardenkredite angesichts der revolutionären Umbrüche im Nachbarland zunächst auf Eis gelegt.

Janukowitsch war zuletzt in der ostukrainischen Stadt Donezk gesehen worden, von wo aus er am Samstagabend in Begleitung bewaffneter Leibwächter in einem Flugzeug das Land verlassen wollte. Grenzschützer verhinderten nach eigenen Angaben die Flucht. Die bisherige Opposition hatte am Wochenende nach monatelangen Protesten die Macht in Kiew übernommen und rasch alle wichtigen Posten besetzt. Die bisherige Regierungspartei von Janukowitsch kündigte an, in die Opposition zu gehen.

Timoschenko besuchte erstmals nach ihrer Haftentlassung ihre kranke Mutter. Die 53-Jährige sei unter großer Geheimhaltung mit einer Privatmaschine in ihre Heimatstadt Dnjepropetrowsk rund 400 Kilometer südöstlich von Kiew geflogen, berichtete der Fernsehsender TSN. Timoschenko war am Samstag nach zweieinhalb Jahren umstrittener Haft freigelassen worden.