Ukraine-Separatisten geben weiteren Stützpunkt auf

Kiew (dpa) - Nach wochenlangen verlustreichen Gefechten hat die ukrainische Armee die Separatistenhochburg Slawjansk zurückerobert und ist kurz darauf kampflos in die nahe gelegene Ortschaft Kramatorsk eingerückt.

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Die prorussischen Aufständischen hätten die strategisch wichtige ostukrainische Stadt Slawjansk nach intensiven Luftschlägen und Artilleriefeuer verlassen, sagte Bürgermeister Wladimir Pawlenko. Die Flucht aus Kramatorsk wurde mit „unhaltbaren Stellungen“ begründet. Die Separatisten rückten in Richtung Donezk ab, um die dortigen Stellungen zu verstärken. Die Führung in Kiew nannte die Rückeroberung der beiden Orte „einen der größten Siege“ seit Beginn der „Anti-Terror-Operation“ Mitte April.

Präsident Petro Poroschenko befahl der Armee, die Offensive fortzusetzen. „Ich bin von Euphorie weit entfernt. Die Lage bleibt sehr kompliziert. Die Terroristen graben sich nun in den großen Städten ein“, sagte der Staatschef in Kiew. Die Erfolge gäben ihm aber recht, dass er die am MOntag abgelaufene Waffenruhe nicht verlängert habe. „Die Kämpfer haben die Feuerpause nicht unterstützt. Jetzt erhalten sie ihre verdiente Strafe dafür.“

Unklarheit herrschte über ein ursprünglich für diesen Samstag angedachtes Krisentreffen unter Vermittlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sowohl die Führung in Kiew als auch Vertreter der Separatisten bekräftigten erneut ihre Bereitschaft. Allerdings gab es bis zum Nachmittag keinen Hinweis auf mögliche Verhandlungen.

Nach Angaben der Regierung in Kiew hisste das Militär zum Zeichen der Rückeroberung die ukrainische Flagge über dem Rathaus von Slawjansk. Eine von den Separatisten zurückgelassene russische Fahne werde demonstrativ verbrannt, kündigte Jugendminister Dmitri Bulatow an. Nach Darstellung der russischen Agentur Ria-Nowosti begannen im Laufe des Tages umfangreiche Personenkontrollen in der Stadt, zahlreiche Verdächtige seien festgenommen worden.

Die Aufständischen wollten nicht von einer Niederlage reden. Die Kämpfer seien nicht vor der Armee aus Slawjansk geflohen, sondern sie hätten lediglich zum Schutz der Zivilbevölkerung die Stellung gewechselt, sagte der Separatistenanführer Andrej Purgin. „Unser Widerstand ist nicht gebrochen“, versicherte er. „Das ist ein taktischer Rückzug“, meinte sein Kollege Denis Puschilin, „Wir werden noch siegreich nach Slawjansk zurückkehren.“

Wenige Stunden später gaben die Aufständischen ihre Stellungen in Kramatorsk auf. „Der Ort ist ungünstig gelegen. Wir hatten dort kaum befestigte Stellungen, daher ordnete die Führung den Rückzug aus der Stadt an“, begründeten die Separatisten nach Angaben der Agentur Ria-Nowosti die Entscheidung.

In die befreiten Orte sollten unverzüglich Brot, Wasser, Zucker und Fleisch gebracht werden, befahl der ukrainische Präsident. „Außerdem sind bereits Arbeiter auf dem Weg, um die zerstörten Gebäude sowie Wasser- und Energieleitungen zu reparieren“, betonte Poroschenko.

Geheimdienstchef Valentin Naliwajtschenko sprach sich für eine Amnestie in den zurückeroberten Städten aus. „Viele normale Bürger dort unterlagen der Propaganda der Separatisten. Sie sollten eine zweite Chance erhalten“, unterstrich er in Kiew.

Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow sagte, die Aufständischen aus den beiden Orten seien unterwegs nach Donezk. „Volksgouverneur“ Pawel Gubarew bestätigte dies. Die militanten Gruppen wollten sich nun auf die Verteidigung von Donezk konzentrieren, sagte der Vertreter der „Volkswehr“.

Der Ukraine-Sonderbeauftragte des russischen Außenministeriums, Konstantin Dolgow, sagte, er rechne mit einem zeitnahen Ende der Kämpfe. Die „heiße Phase“ könne in einigen Wochen vorbei sein. „Die Überwindung dieser Krise wird aber Jahre dauern“, sagte der Moskauer Diplomat. „Das Land ist zweifellos sehr tief gespalten.“

Separatistenanführer Purgin bekräftigte die Bereitschaft der Aufständischen zu Gesprächen über eine Waffenruhe. Als Ort brachte er erneut die weißrussische Hauptstadt Minsk ins Spiel. „Die Führung in Kiew will wegen der Kämpfe nicht nach Donezk kommen, und die Vertreter der Volkswehr wiederum können wegen einer Sanktionsliste nicht nach Europa - da wäre Minsk ein Kompromiss“, sagte Purgin.

Der ukrainische Präsident Poroschenko hatte sich bereits zuvor zu Gesprächen bereiterklärt. Eine erneute einseitige Waffenruhe schloss er aber aus. Einen Dialog könne es nur geben, wenn alle Konfliktparteien gleichermaßen die Bedingungen dafür einhalten würden, sagte Poroschenko nach Beratungen mit den Fraktionsvorsitzenden des ukrainischen Parlaments in Kiew.

Russland stoppte unterdessen die Rückgabe von Kriegsgerät an die Ukraine. Nach der Einverleibung der Krim im März hatte Moskau begonnen, erbeutete Ausrüstung von der Schwarzmeerhalbinsel an Kiew zurückzugeben. Es gebe aber Hinweise, dass die ukrainische Armee die Waffen bei den Kämpfen im Osten des Landes einsetze, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Weil unter diesem Beschuss auch die Zivilbevölkerung leide, stoppe Russland vorerst die Rückgabe.