Ukrainische Opposition weist Angebot der Staatsführung zurück
Kiew (dpa) - Es ist also doch nur eine vergiftete Offerte gewesen. Die Opposition in Kiew verweigert sich dem Angebot zur Beteiligung an der Macht. Eine Zustimmung hätte die Spaltung der Janukowitsch-Gegner bedeutet.
Die ukrainische Opposition hat eine von Präsident Viktor Janukowitsch überraschend angebotene Regierungsbeteiligung abgelehnt. „Wir geben nicht nach. Wir sind friedliche Menschen, die ihre Rechte und Forderungen verteidigen“, sagte der frühere Boxweltmeister Vitali Klitschko am Samstagabend vor jubelnden Anhängern im Zentrum der Hauptstadt Kiew. Die Ukraine müsse noch in diesem Jahr Wahlen abhalten, um den an Russland orientierten Präsidenten abzulösen, forderte Klitschko.
Der frühere Außenminister Arseni Jazenjuk sagte auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan), die Opposition sei bereit, die Regierung zu übernehmen - aber nur, um das Land dann in die Europäische Union zu führen. Seine Bewegung habe keine Angst, Verantwortung zu übernehmen. „Aber wir glauben der Staatsmacht kein einziges Wort“, rief Jazenjuk.
Nach den schweren Ausschreitungen der vergangenen Tage hatte Janukowitsch der Opposition am Samstag führende Regierungsämter angeboten. Jazenjuk solle neuer Regierungschef und Klitschko dessen Stellvertreter werden, hieß es aus der Präsidialverwaltung. Zuvor war die Staatsführung um Janukowitsch mit Oppositionsführern zu einem weiteren Krisentreffen zusammengekommen.
Das Angebot an die Opposition sah auch eine Straffreiheit für Demonstranten vor, die bei den seit Wochen andauernden Protesten festgenommen worden waren. Im Gegenzug sollten alle blockierten Plätze und Gebäude im Zentrum von Kiew geräumt werden.
Janukowitsch hatte auch eine Verfassungsänderung mit gestärkten Rechten für das Parlament in Aussicht gestellt. Bislang hat der Präsident alle zentralen Machtbefugnisse in seiner Hand.
Zudem bot Janukowitsch eine Änderung der zuletzt verabschiedeten Gesetze zur Einschränkung der Demonstrations- und Pressefreiheit an. Dies ist eine zentrale Forderung der Opposition. Diese international scharf kritisierten neuen Gesetze waren Auslöser der gewalttätigen Proteste Mitte Januar gewesen.
Regierung und Opposition liefern sich seit zwei Monaten einen erbitterten Machtkampf, der die frühere Sowjetrepublik in eine tiefe Krise stürzte. Bei den jüngsten Ausschreitungen starben mindestens vier Menschen, Hunderte wurden verletzt. Die Europäische Union und die Bundesregierung riefen den Staatschef mehrfach mit Nachdruck zum Einlenken auf.
Erst am Samstag hatte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle bei einem Besuch in Kiew alle Konfliktparteien aufgefordert, die Gewalt zu stoppen. Die Proteste waren ausgebrochen, nachdem Janukowitsch im November auf Druck Russlands ein von der Opposition als historische Chance betrachtetes Annäherungsabkommen mit der EU gestoppt hatte.
Nur ohne Janukowitsch und dessen enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin könne der zweitgrößte Flächenstaat Europas den Weg der Westintegration gehen, betonte der Ex-Boxweltmeister Klitschko. Die Opposition hatte auch eine Freilassung der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko zur Bedingung für einen politischen Neubeginn gemacht.
Es blieb bis zum Abend unklar, wie sich das Angebot von Janukowitsch auf die andauernden Straßenproteste in Kiew auswirkt. In der Hauptstadt war es am Freitagabend nach einer zwischenzeitlichen Beruhigung erneut zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Regierungsgegnern mit Brandsätzen und Tränengas gekommen. Demonstranten versuchten zudem, nach der Besetzung des Agrarministeriums auch das Energieministerium zu stürmen. Das Behörde gilt als Schlüsselressort: Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für russische Gaslieferungen in die EU. Die Demonstranten verließen aber nach kurzer Zeit das Gebäude wieder.
Im nationalistisch geprägten Westen des Landes hielten Demonstranten in mehreren Städten weiter offizielle Gebäude besetzt. So stürmten in Winniza Regierungsgegner den Sitz des örtlichen Verwaltungsrats. Im Osten der Ukraine, der als Hochburg von Janukowitsch gilt, erklärten sich Fanclubs einflussreicher Sportvereine solidarisch mit den Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew.