UN-Bericht Vier Millionen afghanische Kinder gehen nicht zur Schule
Kabul (dpa) - Einem neuen Bericht der UN-Kinderhilfsorganisation Unicef zufolge gehen in Afghanistan fast vier Millionen Kinder nicht zur Schule.
2,2 Millionen dieser Kinder seien Mädchen, heißt es in der 120 Seiten langen Studie, die am Sonntag in der afghanischen Hauptstadt Kabul vorgestellt wurde. Mehr als 16 Jahre nach Beginn massiver internationaler Hilfsbemühungen hat demnach knapp die Hälfte aller Kinder zwischen 7 und 17 Jahren keinen Zugang zu Bildung. Weitere 300.000 Schulkinder drohten, aus dem System zu fallen.
Gründe seien vor allem der sich verschärfende Krieg mit den radikalislamischen Taliban und zunehmend der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und die wachsende Armut der Menschen, die dazu führe, dass noch mehr Kinder arbeiten müssten und Mädchen früh verheiratet würden. Dazu käme die massive Binnenvertreibung. Humanitäre Helfer hatten 2018 bereits mehr als 100.000 Kriegsflüchtlinge registriert.
Der Krieg in Afghanistan verschärft sich vor allem seit Ende der Nato-Kampfmission im Dezember 2014 rasant. Unicef warnt, dass in der Nähe von Kampfgebieten Schulen oft geschlossen würden oder Eltern entschieden, ihre Kinder nicht mehr zur Schule zu schicken, weil der Schulweg zu gefährlich sei.
Erkenntnissen der Deutschen Presse-Agentur zufolge nutzen vor allem die Taliban das Thema Bildung und ihre Kontrolle über Schulen in Aufständischengebieten regelmäßig als Mittel, um Druck auf die Regierung auszuüben, um Forderungen durchzusetzen oder um Rache zu nehmen. In den vergangene Monaten haben sie in unsicheren Provinzen wie Kundus, Logar oder Baghlan Dutzende Bildungseinrichtungen dichtgemacht. Die afghanische Regierung gibt an, dass konfliktbedingt derzeit landesweit rund 1000 Schulen geschlossen seien. Inoffiziell dürften es weit mehr sein. Die Taliban kontrollieren nach Militärangaben heute wieder mindestens 14,5 Prozent des Landes. 30 Prozent sollen umkämpft sein.
„In Gegenden, die von bewaffneten Oppositionsgruppen kontrolliert werden, variieren die Lehrpläne stark, je nachdem, welcher politischen Richtung der Kommandeur anhängt“, warnt Unicef. Sie entsprächen nur selten den Standards des Ministeriums für Bildung.
Der Druck auf die Bildung betrifft vor allem Mädchen. Das liege auch daran, dass es weiterhin viel zu wenige weibliche Lehrer gebe, stellen die Autoren der UN-Studie fest. In konservativen Gegenden wollen Eltern ihre Töchter generell nicht von Männern unterrichten lassen.