Wahl in Ägypten: Muslimbruder kann den Sieg nicht genießen
Mohammed Mursi wird wohl neuer Präsident in Ägypten. Doch das Militär redet mit.
Kairo. Nach der Präsidentschaftswahl in Ägypten deutet sich ein knapper Sieg für den Kandidaten der Muslimbruderschaft an. Doch die Islamisten, die seit Monaten auf diesen Tag hingearbeitet hatten, können ihren Erfolg nicht genießen. Denn die Militärführung, die seit dem Putsch gegen König Faruk 1952 die bestimmende Kraft im Staat ist, will deren Macht beschneiden.
In den vergangenen Jahren hatten sich die Generäle eher diskret im Hintergrund gehalten. Doch davon kann seit dem Rücktritt von Präsident Husni Mubarak nicht mehr die Rede sein.
Kaum trudeln die ersten Ergebnisse aus den Wahllokalen ein, verkünden die Generäle auch schon Verfassungsänderungen. Diese sollen bewirken, dass der künftige Präsident Ägyptens viel weniger zu sagen haben wird als seine Vorgänger, die allesamt aus dem Militär stammten.
Denkbar ist auch, dass die Verfassungsrichter noch einmal eingreifen. Das oberste Gericht hatte vergangene Woche bereits die Parlamentswahl für ungültig erklärt. Bei dieser Wahl hatten die moderaten und radikalen Islamisten gemeinsam mehr als 60 Prozent der Stimmen erhalten. Dass sie bei der geplanten Wiederholung der Wahl noch einmal so viele Mandate bekommen, ist allerdings nicht zu erwarten, denn der Machthunger der Scharia-Verfechter ist vielen Ägyptern unheimlich geworden.
Deshalb hat der Kandidat der Muslimbrüder, Mohammed Mursi (60), bei dieser Stichwahl auch — nach inoffiziellen Hochrechnungen — nur etwas mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhalten, obwohl viele Ägypter Vorbehalte gegen seinen Rivalen Ahmed Schafik hatten.
Wenn man dann noch bedenkt, dass überhaupt nur etwa jeder zweite Ägypter zur Wahl gegangen ist, zeigt sich, dass nur eine Minderheit der Bevölkerung hinter Mursi steht. Eine Volksbewegung, die den Muslimbrüdern helfen könnte, mittelfristig ihre Machtinteressen gegenüber den Militärs durchzusetzen, wird es deshalb voraussichtlich nicht geben.
Unter den Liberalen herrscht derweil Katzenjammer. Sie fragen sich, ob demnächst der Kopftuch-Zwang für Schülerinnen kommt oder ein Alkoholverbot für Restaurants. Einige von ihnen tragen sich sogar mit dem Gedanken ans Auswandern, weil sie befürchten, dass sich eine Partei, die vorgibt, den Willen Gottes auf Erden zu vertreten, nicht von der Macht vertreiben lassen wird.