Welle von Zwangsversetzungen in türkischer Polizei
Brüssel/Istanbul (dpa) - Nach neuen Zwangsversetzungen türkischer Polizeichefs wächst auch international die Kritik an der Regierung in Ankara.
Die um ihre Macht kämpfende türkische Führung tauschte in der Nacht zum Mittwoch Polizeichefs von mindestens 15 Provinzen aus, wie türkische Medien berichteten. Die Regierung geht seit Wochen gegen unerwünschte Korruptionsermittlungen vor. Die Europäische Union äußerte sich besorgt über das Vorgehen in der um einen EU-Beitritt bemühten Türkei.
Ein Sprecher des EU-Erweiterungskommissars Stefan Füle mahnte die Regierung in Ankara erneut, „alle Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Behauptungen über Fehlverhalten ohne Benachteiligung oder Bevorzugung transparent und unparteiisch aufgeklärt werden“. Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat bisher etwa 1000 Polizisten zwangsversetzt.
„Diese Maßnahmen könnten die laufenden Ermittlungen sowie die Fähigkeit der Justiz und der Polizei zu unabhängigen Ermittlungen untergraben“, sagte der EU-Sprecher. Sie seien daher „Grund zur Besorgnis“. Er verwies darauf, dass die Türkei sich als Kandidatenland für einen EU-Beitritt zur Einhaltung politischer Kriterien „einschließlich der Rechtsstaatlichkeit“ verpflichtet habe. Alle Beschuldigungen der Korruption müssten daher eingehend von einer unabhängigen Justiz untersucht werden.
Die Türkei wird von einem heftigen Streit im Lager der religiös-konservativen Kräfte erschüttert, der Mitte Dezember mit einem Korruptionsskandal eskalierte. Auch Söhne mehrerer Minister waren festgenommen worden. Erdogan bildete sein Kabinett im Dezember nach den Festnahmen um, geht seitdem aber verstärkt gegen Widersacher sowie Polizei und Justiz vor. Auch im Finanzministerium wurden Mitarbeiter ihrer Posten enthoben.
Bei den Korruptionsermittlungen geht es unter anderem darum, ob die staatliche Halkbank gegen Zahlung von Schmiergeld dabei geholfen hat, mit Hilfe von Goldtransfers die internationalen Sanktionen gegen den Iran zu unterlaufen. Gefolgsleute Erdogans machen die Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen für die Ermittlungen verantwortlich. Diese soll in Polizei und Justiz zahlreiche Anhänger haben.