Behörden fragen immer öfter Privatkonto-Daten ab
Berlin (dpa) - Behörden fragen immer öfter Kontendaten ab, um Steuer- und Sozialleistungsbetrug aufzudecken. Die einen warnen vorm „gläsernen Bürger“, die Befürworter wollen den „Ehrlichen“ schützen.
Die Zahl der Abfragen im Kampf gegen Sozialmissbrauch und Steuerbetrug ist im vergangenen Jahr um gut zehn Prozent auf 62 333 geklettert, bestätigte das Finanzministerium am Donnerstag. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar verlangte wegen des Anstiegs wie in den Vorjahren ein Eingreifen.
Zur Förderung der Steuerehrlichkeit und Eindämmung von Sozialleistungsmissbrauch dürfen Behörden seit April 2005 Konten von Bürgern ermitteln. Nur unter bestimmten Voraussetzungen haben Finanzämter, Sozialämter, Arbeitsagenturen und Bafög-Stellen Zugriff auf die Daten aller Konten und Depots bei Banken und Sparkassen.
Mit dem Kontenabrufverfahren sollen im Interesse der „Steuerehrlichen“ Vorgaben des Verfassungsgerichts erfüllt werden, Betrüger aufzuspüren. Eingedämmt werden sollen auch Leistungsmissbrauch, Wirtschaftskriminalität und Schwarzarbeit.
Eine Kontenabfrage erfolgt aber erst, wenn ein Bürger Zweifel an Angaben in seiner Steuererklärung nicht ausräumen kann. Dabei geht es zunächst nur um Stammdaten wie Name, Geburtsdatum oder Adresse.
Stellt sich heraus, dass Konten und Depots nicht angegeben wurden, wird derjenige um weitere Aufklärung gebeten. Erhärtet sich der Verdacht auf Betrug, kann das Finanzamt von Banken die Offenlegung der Guthaben und Geldbewegungen verlangen.
Nicht jedes einzelne Finanzamt und nicht jede Sozialbehörde kann einfach per Knopfdruck - aus purer Neugier - Konto-Stammdaten abfragen. Der Zugriff auf den Datenpool wird zentral gesteuert. Über den Kontenabruf wird dann im Steuerbescheid informiert.
2011 entfielen von den erledigten Anfragen 54 090 Fälle auf Finanzbehörden für steuerliche Zwecke. Das waren 5532 mehr als 2010. Lediglich 8243 Fälle betrafen nicht-steuerliche Anfragen von Sozialbehörden. 2010 waren es hier 8138 Abfragen.
Schaar kritisierte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag): „Eine Maßnahme, die laut Bundesverfassungsgericht eigentlich als Ausnahme gedacht war, hat sich fast zu einer Routine entwickelt.“ Diesem ungehemmten Zuwachs müsse der Gesetzgeber dringend Einhalt gebieten. Union und FDP hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, das Abrufverfahren zu überprüfen.
Grundsätzlich wurden im Kampf gegen Terrorfinanzierung und Geldwäsche Konten schon länger - auch vor 2005 - abgefragt. Die alljährlichen Zahlen des Bundeszentralamtes für Steuern sorgen trotz der Einschränkungen immer wieder für eine Debatte über die „gläsernen Bürger“ oder den Weg in den „Überwachungsstaat“.
Kritiker wie der Steuerzahlerbund etwa sahen in der Vergangenheit unbescholtene Bürger wie Kriminelle behandelt, den Datenschutz mit Füßen getreten und schweren Schaden für den Rechtsstaat heraufziehen.
Pure „Panikmache“ sei das, halten Befürworter dagegen. Einwände seien überzogen, aufgezeigte mögliche Fehlgriffe der Behörden Extrembeispiele. Generell müssten sich die „Ehrlichen“ nicht sorgen. Einschränkungen beim Recht auf informelle Selbstbestimmung müssten im Interesse der Allgemeinheit hingenommen werden, wird argumentiert. Dies sei bei der Verfolgung von Steuerbetrügern der Fall.