Fachkräftemangel Grüne: Handwerk muss für Frauen attraktiver werden
Berlin · Handwerksberufe sollen für Frauen attraktiver werden, fordern die Grünen. Die Mittelstandsbeauftragte Claudia Müller kritisiert das geringe Interesse der Bundesregierung, die Vereinbarkeit von Familie und Handwerk im Falle weiblicher Beschäftigung zu stärken.
Die Grünen-Bundestagsfraktion hat die Bundesregierung angesichts des Fachkräftemangels aufgefordert, Handwerksberufe für Frauen attraktiver zu machen. "Dass das deutsche Handwerk oft immer noch eine Männerdomäne ist, müsste nicht so sein", sagte die Mittelstandsbeauftragte Claudia Müller am Mittwoch. "Die Regierung könnte weit mehr leisten, indem sie den Mutterschutz und Familienverträglichkeit verbessern würde."
Müller kritisierte, dass die Zahl der Frauen und der Frauenanteil in Handwerksberufen in den vergangenen Jahren "nur minimal angestiegen sind und immer noch auf sehr niedrigem Niveau verharren". Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion, die AFP vorlag, stieg bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen der Frauenanteil in den vergangenen Jahren zwar in vielen Bereichen an, liegt aber weiterhin deutlich unterhalb des Männeranteils.
Bei Kfz-Mechatronikern und Mechatronikerinnen etwa legte der Anteil der Frauen von 1998 bis 2018 von 1,8 Prozent auf 3,9 Prozent zu. Im Metallbau waren es im vergangenen Jahr 2,2 Prozent statt wie 20 Jahre zuvor 1,0 Prozent. Bei Tischlerinnen und Tischlern gab es bei den Ausbildungsverträgen 2018 insgesamt 13,3 Prozent Frauen, 1998 waren es 7,1 Prozent.
Insgesamt verteilten sich im Handwerk nach Angaben der Bundesregierung im vergangenen Jahr 19,2 Prozent Frauen und 80,8 Prozent Männer auf die einzelnen Ausbildungsbereiche. Allerdings befinde sich das Handwerk seit etwa zehn Jahren im Wandel, heißt es in der Antwort des Wirtschaftsministeriums weiter. Hätten sich Frauen bisher insbesondere auf die kaufmännischen Berufe und das Friseurhandwerk konzentriert, wählten sie zunehmend auch bislang eher männlich geprägte Ausbildungsberufe.
Müller kritisierte hingegen, die Werbekampagnen der Bundesregierung, die beispielsweise mit der 2016 gestarteten "Initiative Klischeefrei" für eine Berufswahl ohne Geschlechterstereotype wirbt, zeigten "kaum Wirkung". Die Bundesregierung scheine dies jedoch kaum zu evaluieren und zeige überdies "wenig Interesse daran, die Vereinbarkeit von Familie und Handwerk im Falle weiblicher Beschäftigung zu stärken - oder ein Sexismusproblem im Handwerk überhaupt anzuerkennen".
Insgesamt beträgt der Anteil der Frauen an den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Handwerk laut der Regierungsantwort knapp 22 Prozent. Die zehn beliebtesten gewerblich technischen Berufe der Frauen sind demnach Friseurin, Augenoptikerin, Konditorin, Tischlerin,Zahntechnikerin, Malerin und Lackiererin, Kraftfahrzeugmechatronikerin, Hörgeräteakustikerin und Bäckerin.
Zugleich zeigen die Zahlen demnach auch, dass viele Frauen, die im Handwerk eine Ausbildung machen, anschließend Verantwortung in einem Unternehmen übernehmen: Im Jahr 2017 absolvierten Frauen etwa jede sechste Meisterprüfung (16,8 Prozent) - und sogar jeder fünfte Handwerksbetrieb (19,4 Prozent) wird von einer Frau geführt.
Auf dieses Potenzial zu verzichten, sei "angesichts des weiterhin eklatanten Fachkräftemangels im Handwerk absurd und führt auch dazu, dass viele Menschen immer längere Wartezeiten für Handwerkertermine in Kauf nehmen müssen", kritisierte Müller.
Damit mehr Frauen ins Handwerk gingen, müssten sich aber auch die Handwerksorganisationen selbst stärker für gutes Betriebsklima und "respektvolles Miteinander ohne Sexismus" einsetzen, forderte die Grünen-Politikerin. "Solange Werbeanzeigen fürs Fliesenlegen oder Installationsarbeiten mit knappen Bikinis und schlüpfrigen Sprüchen versehen werden, muss man sich nicht wundern, dass viele Frauen in manchen Handwerksbranchen wenig Zukunft sehen."
jm/lan