Schärferer Pflege-TÜV soll Missstände eindämmen
Berlin (dpa) - Ein schärferer Pflege-TÜV soll Missstände in Pflegeheimen eindämmen und die Suche nach einem guten Einrichtung erleichtern. Nach rund dreijährigem Ringen zwischen Pflegekassen und Heimbetreibern sollen entsprechende Reformpunkte nach dpa-Informationen in Kürze veröffentlicht werden.
Allerdings fehlt es den Noten für die Heime laut Kritikern auch nach der Reform an Aussagekraft. Laut der Anti-Korruptions-Organisation Transparency ist systematischem Betrug in der Altenpflege insgesamt Tür und Tor geöffnet.
Um Missstände in Heime aufzudecken und Transparenz zu schaffen, gibt es regelmäßige Kontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. So fehlte laut dem jüngsten Pflege-Qualitätsbericht bei jedem zehnten von zuletzt 140 000 Menschen, die mit Gittern oder Gurten im Bett oder Rollstuhl festgehalten wurden, eine gerichtliche Anordnung. Die Noten, die die Heime nach den Prüfungen bekommen, gelten Experten seit langem als beliebig und zu positiv.
Kassen und Betreiber einigten sich nun bereits im Juni hinter verschlossener Tür in einer Schiedsstelle auf eine Reform. Ende vergangener Woche lief eine Widerspruchsfrist ab. „Jetzt wird der Schiedsspruch ausformuliert und dann veröffentlicht“, hieß es in Verhandlungskreisen.
In Zukunft sollen unter den bisher 82 Kriterien für die Bewertung eines Heims die Ergebnisse in den 21 zentralsten Punkten im Internet besonders hervorgehoben werden. Darunter sind Fragen zum Wundliegen, zur Flüssigkeitsversorgung und zu freiheitseinschränkenden Maßnahmen.
Die Kassen konnten sich nicht mit der Forderung durchsetzen, dass diese Kriterien bei der Benotung eines Heims stärker gewichtet werden. In einem der dpa vorliegenden internen Schreiben der Kassen wird dies als Wermutstropfen bezeichnet.
Andere Kriterien sollen künftig nicht mehr aufgeführt werden, etwa ob es „jahreszeitliche Feste“ gibt. Künftig wird zudem bei mehr Bewohnern genau hingesehen, vor allem bei mehr schweren Fällen. Auch sollen die Noten generell etwas schlechter ausfallen können.
Der Bundespatientenbeauftragte Wolfgang Zöller (CSU) sagte der dpa: „Wenn ich in der Gesamtbeurteilung häufiges Wundliegen mit einem guten Schnitzel oder einem schönen Gartenfest ausgleichen kann, dann ist das Instrument gescheitert.“
Das Bundesgesundheitsministerium erwartet eine zügige Umsetzung. Es sei damit zu rechnen, dass die Neuregelungen Anfang 2014 wirksam würden, sagte eine Sprecherin.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sprach von einem faulen Kompromiss. Etwa beim Skandal freiheitsentziehender Maßnahmen oder dem Ruhigstellen mit Pillen fehle auch künftig Transparenz, sagte er der dpa. Der Präsident des Sozialverband Deutschland, Adolf Bauer, kritisierte die Pläne als nicht ausreichend.
Einen kompletten Neustart bei dem Prüfsystem forderte der Paritätische Wohlfahrtsverband. Auch die Grünen-Pflegeexpertin Elisabeth Scharfenberg sagte: „Das 'Projekt Pflege-TÜV' ist gescheitert.“ Florian Lanz, Sprecher des Kassen-Spitzenverbands, sagte hingegen: „Die Verbesserung der Pflege ist ein große Aufgabe, bei der es noch viel zu tun gibt.“
Transparency kritisierte den Pflege-TÜV bei der Vorstellung einer Studie in Berlin als bürokratisches Monstrum, das wenig bringe. Insgesamt würden zu wenig Kontrollen und lasche Regeln Betreibern von Heimen und ambulanten Pflegediensten dazu einladen, das System Pflege auszuplündern, sagte Studienautorin Anke Martiny.
Co-Autorin Barbara Stolterfoht kritisierte, zu wenige Pflegekräfte würden eingestellt, Heimimmobilien überteuert an Betreiber vermietet, mehr Leistungen als geleistet abgerechnet und Patienten zwischen Pflegediensten „verkauft“. Bundesgesundheitsministerium und Paritätischer Wohlfahrtsverband kritisierten die Transparency-Studie als unzulänglich. Laut Arbeitgeberverband Pflege sollen unter anderem rund 150 Chinesen gegen den Fachkräftemangel in dem Bereich helfen.