NSU-Prozess Zschäpe erwägt erstmals Aussage
München (dpa) - Überraschende Nachricht nach zwei Jahren NSU-Prozess: Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe erwägt nach eigenen Angaben, nun doch auszusagen.
In den mehr als 200 Verhandlungstagen hatte die Hauptangeklagte bislang zur Sache geschwiegen. In einem vierseitigen Schreiben an das Münchner Oberlandesgericht (OLG) teilte Zschäpe mit, dass sie sich „durchaus mit dem Gedanken beschäftige, etwas auszusagen“. Eine weitere Zusammenarbeit mit ihrer Verteidigung sei deshalb nicht mehr möglich.
In dem Schreiben an das Gericht mit Datum vom 18. Juni musste Zschäpe erneut begründen, warum sie ihre Verteidigerin Anja Sturm loswerden möchte. Zschäpe hatte vor kurzem deren Entpflichtung beantragt. Der Brief lag der Deutschen Presse-Agentur in München am Montag vor, auch „SWR Info“ und der Berliner „Tagesspiegel“ berichteten darüber.
Zschäpe muss sich im NSU-Prozess als Mittäterin für sämtliche Taten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ verantworten, darunter zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge. Seit ihrer Festnahme 2011 und seit Prozessbeginn im Mai 2013 hat sie bisher beharrlich geschwiegen.
Die Angeklagte wirft ihren drei Verteidigern Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl darin vor, diese hätten ihr mit dem Ende des Mandats gedroht, sollte sie - Zschäpe - ihre Strategie ändern und eine Aussage zu einzelnen Vorwürfen machen wollen. Sie würden dann einen Antrag formulieren mit dem Ziel, „ihre Bestellung aufzuheben“. „Ich fühle mich geradezu erpresst“, schrieb Zschäpe ganz am Ende.
Die drei Anwälte wiesen die Vorwürfe der Hautangeklagten im NSU-Prozess in getrennten Schreiben an das OLG zurück. Insbesondere widersprachen sie der Darstellung, ihrer Mandantin gedroht zu haben.
Der Schriftwechsel macht auch deutlich, dass Zschäpe sich bislang offenbar nicht einmal ihren Verteidigern gegenüber umfassend anvertraut hat. Und er zeigt, wie angespannt das Verhältnis insgesamt ist. In einem Brief an ihre Mandantin, den Zschäpe selbst wiedergab, beschwerten sich Heer, Stahl und Sturm über deren „anmaßendes und selbstüberschätzendes Verhalten“, wenn sie die Leistung ihrer Anwalte bewerte. Dieses Verhalten verbiete sich vor allem, da „Sie uns aufgrund der nur fragmentarischen Weitergabe Ihres exklusiven Wissens nicht in die Lage versetzen, Sie optimal zu verteidigen“.
Zschäpe wiederum erhob in dem Brief an das Gericht neue Vorwürfe gegen ihre Anwälte: Heer und Stahl surften während laufender Hauptverhandlung im Internet beziehungsweise seien bei Twitter aktiv. Und Sturm gehe es vor allem darum, „Pflichtverteidigergebühren zu kassieren“. Von einem Vertrauensverhältnis könne keine Rede sein.
Auch diese Vorhaltungen wiesen die drei Rechtsanwälte klar zurück - ebenso wie Zschäpes Vorwürfe, dass derzeit „Funkstille“ herrsche und jeder Gesprächsversuch auf Konfrontation anstatt Kooperation hinauslaufe. Heer hielt dem in seinem Schreiben an das OLG entgegen, Zschäpe selbst habe mehrere Gesprächsangebote zurückgewiesen.
Das Vertrauen Zschäpes zu ihren Verteidigern gilt schon seit längerer Zeit als belastet. Vor einem Jahr hatte sie allen dreien das Vertrauen entzogen. Das Gericht war ihrem Wunsch nach neuen Prozessvertretern aber nicht gefolgt. Da es sich um Pflichtverteidiger handelt, hätte das Gericht zustimmen müssen. Zschäpes jüngster Antrag richtete sich nun nur noch gegen Sturm.