ANZEIGE WZ-Krimi 2018 Folge 7 - Kommissar Brinker: Das Phantom der B7
Zuerst hat er alle Wuppertaler Ampeln auf Rot gestellt, jetzt hat der verrückte Professor Bronsius die halbe A46 mit Tempo-30-Schildern gepflastert. Kommissar Moritz Brinker tappt derweil im Dunkeln, was es mit diesen Taten auf sich hat. Und WZ-Reporterin Tina Tonino? Sie ist dem Täter vielleicht auf der Spur ... Der Zeitungskrimi geht weiter — fiebern Sie mit und gewinnen Sie Karten für die Lesung im Juni!
Auf der Hahnerberger Straße
Moritz Brinker würde sich jetzt gerne freuen. Über die Stille im Auto, wenn er mit seinem Toyota C-HR an der Ampel steht, weil allein der Elektromotor in seinem Hybrid arbeitet. Aber er kommt nicht dazu, weil er nur auf das Tuten achtet. Es tutet und tutet. Aber sie geht nicht ran.
Eben hat sie ihm doch noch geschrieben, offenbar von der Toilette in Bert Bronsius’ Wohnung aus, dort, wo er sie hingeschickt hat. Dort, wo er sie rausholen muss. Jetzt. „Tina, wo steckst du?“, fragt er die Stille des Autos, als er aufgelegt hat. Er will gerade seine Kollegin Saskia Berger anrufen, als sie ihm zuvorkommt.
„Kommen Sie am besten gleich in die Friedenstraße in Cronenberg“, begrüßt er sie.
„Äh ... ich dachte eher an ... Feierabend? Es ist ...“
„Nach acht und Tina Tonino hockt gerade irgendwo bei diesem verrückten Erfinder, der unser Mann ist. In einem Lieferwagen vom Fachgeschäft Der Schlafraum hat er letzte Nacht die Verkehrsschilder gestohlen und das ganze Chaos ausgelöst. Und ...“ Brinker schildert seiner Kollegin kurz die Hintergründe. Als sie für ein paar Sekunden nicht antwortet, wird er stutzig. „Hallo? Noch jemand dran?“
„Ja, klar ... ich ... hatte Ihnen doch von der Dame erzählt, die sich bei uns gemeldet hat, weil sie angeblich gestalkt wird. Sie ... sprach ebenfalls von einem seltsamen Mann aus ihrer Straße am Cronenberg, der schon in der halben Nachbarschaft als schräger Erfinder bekannt ist ... nicht, dass sie den jetzt direkt verdächtigt hätte, aber ...“
„Was? Und das hat sie Ihnen eben ...“
„Ja, sie muss eigentlich gerade erst nach Hause gefahren sein. Vielleicht ist sie auch noch auf dem Weg.“
„Schicken Sie bitte zwei oder drei Wagen dahin. Mir schwant Böses.“
Brinker legt auf, packt das Blaulicht aufs perlmuttfarbene Dach des Toyota und gibt Gas. Und er denkt: Verdammt, ich hab sie nicht nur zu einem irren Erfinder geschickt, der Kerl ist auch noch ein Stalker. Wie konnte ich nur?
Das Navi verspricht noch knapp fünf Minuten fahrt. Er kann drei draus machen. Aber auch die können lang werden.
An der Friedenstraße, Cronenberg
Barbara Bott zittert, als sie ihren Wagen in die Einfahrt ihres kleinen, hübschen, gepflegten Hauses lenkt. Sie blickt die Straße hinunter. Da wohnt er. Ja, wer? Sie hat doch vorhin bei dieser Kommissarin einfach nur irgendwas erzählt, um ihr eine Antwort geben zu können. Was soll dieser Typ da unten denn von ihr wollen?
Sie macht ihr Auto aus und weiß nicht, wohin mit sich. Wer auch immer es war, er war hier. Er droht ihr. Ganz offenkundig.
Sie zittert auch noch, als sie durch den Vorgarten zur Haustür schleicht.
Und als sie in die Küche geht, um sich einen Schnaps einzugießen. Sie hat noch nie allein Alkohol getrunken. Sie leert das Glas, schüttelt sich, setzt sich auf einen Küchenstuhl und weint.
An der Friedenstraße, Cronenberg, am Ende der Straße
Da war sie. Schade, dass er nur so einen kurzen Blick auf sie werfen konnte, als sie ihren Wagen in die Einfahrt gelenkt hat. Aber Bert Bronsius hat keine Zeit. Ihm bleiben Minuten, bis sie kommen werden. Und Polizei kann er gerade gar nicht gebrauchen. Am Ende sperren die ihn noch ein. Zumindest ist seine Mission dann für die Katz. Hektisch läuft er in seinem Garten, den meterhohe Tannen von der Straße abschirmen, hin und her. Anneke und er wohnen am Wald, aber die Nachbarn über ihm und auch die von gegenüber sind ihm zu neugierig, da hat er vor zwei Jahren diese Bäume setzen lassen, die zum Glück sehr schnell sehr hoch wachsen.
Sehr schnell sehr hoch. Das ist das Stichwort. Bronsius schließt das elektrische Garagentor und bewegt sich auf den Bronsikopter zu. Da hört er, als zwänge sich ihre alte Schratelstimme noch so eben unter der sich langsam schließenden Garagenöffnung hindurch, die Stimme seiner Mutter: „Beeert! Beeert, wo bist du! Ich habe Hunger!“
„Dann iss was!“, brüllt er zurück und fühlt sich dadurch seltsam befreit.
In seiner Hand bimmelt wieder das Handy dieser Reporterin. Muss der Kommissar sein, mit dem sie eben geschrieben hat, auf dem Klo, wo sie niemals hin musste.
Er stellt das Handy auf lautlos und steckt es ein.
Und jetzt: Abflug.
Friedenstraße, Cronenberg, im Bronsikopter
Angst. Sie ist da, unmittelbar, in ihr drin. Gerade noch, auf der Toilette in Bronsius‘ Garage, da war es ein diffuses Unbehagen gewesen, ein „Hoffentlich bin ich bald hier weg“. Dann der missglückte Versuch, wegzukommen, die Flucht aus dem Fenster, und draußen hat er schon auf sie gewartet. Das Surren kam vom Garagentor, dem sie jetzt beim Herunterfahren zuschaut —vom Bronsikopter aus, in dem sie fest angeschnallt sitzt.
Er hat ihr nichts getan, sie nicht angefasst, aber seine Größe, die Massigkeit seines Körpers und der Blick aus diesen Augen, dieser leichte Silberblick, der Unberechenbarkeit suggeriert, haben die Angst ausgelöst.
Sie ist so groß, diese Angst, weil sie, Tina Tonino, jetzt so schrecklich allein ist.
Und weil sie nicht weiß, was wird.
Vorhin noch hat sie für eine Geschichte recherchieren wollen.
Dann, als sie herausfand, wer Bronsius wirklich ist, mehr als ein schrulliger Erfinder, ein Straftäter (ein gewitzter, wie etwas in ihr zugeben will), wollte er sie wohl zwingen, seine ganze Geschichte zu veröffentlichen. Vielleicht hätte sie das einfach direkt machen sollen. Es schreiben, online stellen, morgen noch ins Blatt hieven. Aber sie will diesem Mann auch kein Forum bieten.
Die Nummer mit der Fensterflucht war jedenfalls auch keine gute.
Er hat den Bronsikopter aus der Garage gefahren, sie reingesetzt und will ... was genau jetzt tun? Egal, es ist jedenfalls ... eine Entführung. Kein Zweifel. Bis gerade eben war es nichts, jetzt wird sie gerade entführt.
Nein, er macht einen Testflug mit ihr, damit sie noch besser über ihn schreiben kann.
Nein, er hat ihr Handy, er weiß, dass Moritz gleich hier sein wird, er flüchtet hier gerade.
Und er lässt sogar seine alte Mutter allein, die noch nach ihm gerufen hat.
Jetzt stiefelt er auf den Bronsikopter zu, und ihr Herz klopft mit jedem seiner Schritte etwas schneller.
Im Auto von Moritz Brinker
Es sind lange drei Minuten geworden. Endlich biegt Moritz Brinker in die Friedenstraße ab. Nur macht das auch ein Radfahrer, das aber, wie Menschen auf E-Bikes das so häufig tun, in einem Affentempo. Und er verlässt genau in dem Moment den Bürgersteig, auf dem er gar nichts verloren hat, um die Straße zu überqueren, als der Kommissar sein geliehenes Auto um die Kurve lenkt.
Der Radfahrer, ein junger Mann von vielleicht Mitte zwanzig, landet auf der Motorhaube. Brinker hört, wie der Toyota das sicher nicht ganz billig gewesene E-Bike zermalmt.
Das darf alles nicht wahr sein.
In einem Einfamilienhaus an der Friedenstraße
Sie nimmt noch einen. Ganz egal. Dann strafft sie sich, atmet tief durch, steht auf. Soll sie ihren Ex anrufen? Auf dem Schiff? Ihre beste Freundin? Niemand weiß davon und sie ist nicht in der Lage, es irgendwem zu erzählen.
Barbara Bott schleppt sich durch die Küche in den Flur, streift die hochhackigen Schuhe ab, die sie immer noch anhatte, und läuft barfuß ins Wohnzimmer. Mal sehen, was es im Streamingkanal so gibt ...
„Hallo, meine Schöne. Da bist du ja wieder. Endlich.“
Die Stimme aus dem Halbdunkel friert sie ein, mitten in der Bewegung. Sie merkt gar nicht, wie ihr linker Fuß Sekunden später wieder den Boden berührt.
Sie kann nicht mal schreien. Nur atmen, schnell, heiser, schneller, schwerer, lauter.
Der Schatten erhebt sich. Seine schwarze Silhouette wächst aus ihrem Lieblingssessel in die Höhe, groß, breit, furchtbar.
Er macht einen Schritt auf sie zu. Und noch einen. Immer noch erkennt sie kein Gesicht, ihr Wohnzimmer war nie besonders hell, und er scheint es nur mit seiner Anwesenheit in ein Nachtland zu verwandeln.
Jetzt kann sie schreien. Sie schreit, kreischt, ächzt, dreht sich um, rennt. Aus dem Wohnzimmer heraus, nur weg, doch im Türrahmen packt er sie am Arm, sie holt mit dem anderen blind aus, hat die Finger, ohne, dass sie es merkt, zu einer Kralle geformt und diese Kralle packt einfach zu, berührt Haut, tief, fest und lange. Sie hat sein Gesicht erwischt, er grunzt auf und lässt sie los, sie sprintet barfuß durch das Haus auf die Straße, schreit wie wild um Hilfe, schaut voller Panik in alle Richtungen, als letztes nach oben, erblickt ein blaues UFO und glaubt, gleich den Verstand zu verlieren.
Über der Friedenstraße im Bronsikopter
Bert Bronsius hat sein Fluggerät gerade erst in Fahrt gebracht und will Richtung Elberfeld abdrehen, ohne genau zu wissen, wohin es eigentlich gehen soll, Hauptsache weg, weil er oben an der Hauptstraße schon die Blaulichter von drei Polizeiwagen entdeckt, als er unten auf der Straße eine schreiende Frau sieht. Das ist doch die Nette von weiter oben! Warum schreit sie so? Er schaut von der Straße zu ihrem Haus und sieht, wie ein großer, dicker Mann in Schwarz in den Türrahmen tritt, der im Gesicht blutet und schwer atmet. Irgendwas stimmt hier gar nicht. Er muss runter.
„Oh, verdammt. Wir müssen nochmal landen.“
Tina Tonino starrt ebenfalls gebannt auf die Straße. „Was? Wer ist diese Frau? Und wer dieser Typ?“
„Ich weiß es nicht ... aber ... sie braucht Hilfe!“
Bronsius setzt zum Sinkflug an, in wenigen Sekunden hat er den Bronsikopter auf der Friedenstraße abgesetzt. Die ersten Anwohner treten vor ihre Häuser.
Kopfschüttelnd und völlig aufgelöst beobachtet Barbara Bott, wie das Flugobjekt vor ihr zum Stehen kommt und sich die rechte Tür öffnet.
„Kommen Sie, schnell! Hier rein!“
Tina Tonino löst sofort ihren Gurt. „Okay, Wir tauschen. Ich gehe. Sie nehmen die Frau da mit.“
Aber Bronsius hält sie fest. „Nein, Sie nehmen die jetzt auf den Schoß. Meine Geschichte lasse ich mir nicht entgehen. Die schreiben Sie heute Abend noch. Wie auch immer.“
Schon springt Barbara Bott in den Bronsikopter, lässt sich auf Tina Tonino fallen, Bronsius schließt die Tür und hebt sofort wieder ab — in diesem Moment passieren zwei Dinge gleichzeitig: Die ersten beiden Polizeiautos brausen heran (der dritte muss den Unfall eines gewissen Kommissars Moritz Brinker aufnehmen, der gerade einen E-Biker angefahren hat) und der blutende Mann in Schwarz verschwindet im Haus von Barbara Bott, ohne, dass die Polizisten, die sofort aus dem Wagen springen, ihn gesehen hätten. Sie haben nur Augen für den Bronsikopter, der jedoch ziemlich schnell aus ihrem Blickfeld verschwindet.
Während der Bronsikopter jetzt Richtung Stadtmitte fliegt, spürt Tina Tonino, wie Barbara Bott auf ihrem Schoß heftig herumwackelt, so schwer atmet sie.
„Sie ... äh, danke ... Was auch immer das hier ... Sie sind das also, der heute ... war ja alles zu lesen ... und ist bestimmt auch morgen dann in der Zeitung ... ich ... äh ... danke.“
Bert Bronsius nickt nur schweigend und schaut lächelnd aus der stark gewölbten Frontscheibe des Bronsikopters.
„Ja, und ... wo fahren ... fliegen wir jetzt hin? Und ...“, sie dreht ihren Kopf so stark es geht und kann Tina Tonino trotzdem kaum erkennen, „... wer sind Sie?“
„Ich bin die, die er entführt hat. Sie hat er offenbar gerettet. So läuft das hier gerade.“
„Was?“ Die Angst, die gerade aus Barbara Botts Augen gewichen war, tritt wieder in ihre Pupillen.
Bronsius schüttelt irritiert den Kopf. „Entführt? Nein, nein, ich ...“ Aber dann verstummt er, weil zwei rote Leuchten aufblinken, als er gerade mit dem Bronsikopter in Höhe der historischen Stadthalle ankommt. Zeitgleich ertönt ein Warnsignal.
„Was bedeutet das?“, fragen Barbara Bott und Tina Tonino fast gleichzeitig.
„Oh nein ... ich habe ... vergessen nachzutanken. Und der Elektromotor allein schafft das nicht, schon gar nicht mit drei Leuten hier drin. Der ist eigentlich nur für maximal zwei ausgelegt. Ich arbeite ja noch an der Leistungsoptimierung, und wenn der Prototyp erst mal ...“
„Bronsius!“, brüllt Tina. „Wir brauchen keinen Technikvortrag! Bringen Sie das Teil irgendwie runter.“
Plötzlich verliert der Bronsikopter zehn Meter an Höhe, von einem Moment auf den nächsten. Die beiden Frauen kreischen, während Bronsius starr geradeaus schaut.
Das Parkdeck der City-Arkaden. Vielleicht noch siebenhundert Meter entfernt. Da ist jetzt, um kurz vor neun, keiner mehr. Er kann das Ding unmöglich auf der B7 landen, mitten in der Stadt. Also aufs Parkdeck.
Bronsius beschleunigt. Wieder geht ein Ruck durch den Bronsikopter.
„Was machen Sie denn?“, kreischt Tina, während Barbara Bott nur die Augen schließt und die Hände faltet. „Sie sollen LANDEN!“
„Mach ich auch. Da, wo ich will.“
Aber Bronsius weiß: Wenn sie noch mehr an Höhe verlieren, wird er es niemals aufs Parkdeck der City-Arkaden schaffen. Dann landen sie mitten in der Glasfassade.