Gleiches Gehalt? - Jüngere beklagen Altersdiskriminierung

Berlin (dpa/tmn) - Ältere werden in der Arbeitswelt diskriminiert? Von wegen! Jüngere sind doch die Benachteiligten: Sie bekommen oft etwa weniger Geld und Urlaub. Dagegen sind manche inzwischen vor Gericht gezogen - in einigen Punkten haben sie sogar Recht bekommen.

Sie kriegen weniger Gehalt, weniger Urlaub und gehören oft zu den Ersten, die ein Stellenabbau trifft: Jüngere haben im Arbeitsleben keineswegs immer die besseren Karten als Ältere. Das liegt nicht an bösen Chefs, sondern an tariflichen und gesetzlichen Regeln. Aber darf das so sein? Das ist eine Frage, die sich mit Blick auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) heute mehr denn je stellt. Es verbietet die Diskriminierung wegen des Alters - darauf können sich auch Jüngere berufen.

Denn Altersdiskriminierung trifft nicht nur Ältere, im Gegenteil: Fast jeder dritte Erwachsene unter 30 Jahren (29 Prozent) hat sich schon einmal wegen seines Alters benachteiligt gefühlt. Das hat eine Forsa-Umfrage unter rund 1500 Erwachsenen im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ergeben. Von den 45- bis 59-Jährigen klagt darüber nur jeder Fünfte (22 Prozent), von den Deutschen ab 60 Jahren etwa jeder Sechste (18 Prozent).

Einige dürften sich bei diesen Zahlen wundern: Worüber können Jüngere sich denn schon beschweren, wenn es um Altersdiskriminierung geht? „Ein Beispiel sind Tarifverträge, in denen Urlaubsansprüche oder Gehaltsstufen nach dem Alter gestaffelt sind“, erklärt der Jurist Bernhard Franke von der ADS. Er leitet dort das Beratungsteam, an das sich Bürger wenden können, die sich diskriminiert fühlen. Solche Staffelungen gebe es auch in Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen, ergänzt der Arbeitsrechtler Michael Eckert aus Heidelberg. Streitpunkte sind außerdem gesetzliche Regeln rund um Kündigungen, die für Jüngere von Nachteil sind.

Und was schwebt den Jüngeren vor - gleiches Gehalt für alle? Mancher unterbezahlte Berufseinsteiger dürfte bei dem Gedanken gleich leuchtende Augen bekommen: Kann ich jetzt etwa als Büroneuling zum Chef gehen und dasselbe Gehalt wie er verlangen? Nein, ganz so einfach sei es nicht, sagt Franke. Denn erstens seien die beiden überhaupt nicht miteinander vergleichbar. Und zweitens ist längst nicht jede Ungleichbehandlung eine Diskriminierung. Es komme auf die Begründung an, also darauf, ob sie sachlich gerechtfertigt ist.

„Die Rechtslage ist außerdem noch nicht endgültig geklärt“, sagt Eckert, der Vorstandsmitglied im Deutschen Anwaltverein ist. Einige Tarifregelungen sind aber bereits vor Gericht gekippt worden: So hat das Bundesarbeitsgericht kürzlich erst die altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für unwirksam erklärt (Aktenzeichen: 9 AZR 529/10). Die Folge: Die jüngeren Beschäftigten haben Anspruch auf mehr Urlaub als bisher.

Entsprechend hatte früher schon das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in einem ähnlichen Fall geurteilt (Aktenzeichen: 8 Sa 1274/10). Die Richter ließen dabei nicht gelten, dass eine solche Staffelung der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf diene. Dieses Argument dürfte generell nicht mehr ziehen, meint Eckert. Schließlich sei ein 35-jähriger Vater mit zwei kleinen Kindern familiär viel stärker eingespannt als ein 55-Jähriger, dessen Kinder schon aus dem Haus sind. Er geht daher davon aus: „Jede nur nach dem Alter gestaffelte Urlaubsregelung ist nicht mehr zu halten.“

Auch das Eingruppieren in Gehaltsstufen nach dem Alter im früher gültigen Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) war eine verbotene Diskriminierung, wie inzwischen höchstrichterlich entschieden wurde. Der Europäische Gerichtshof (Rechtssachen C 297/10 und C 298/10) und anschließend das Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen: 6 AZR 481/09) erklärten diese Regelung für unzulässig - mit dem Ergebnis, dass Betroffene Nachzahlungen fordern konnten, wenn sie ihre Ansprüche rechtzeitig angemeldet hatten.

Das heißt aber nicht, dass beim Gehalt Aspekte tabu sind, die indirekt mit dem Alter zu tun haben. „Berufserfahrung darf honoriert werden“, erklärt Eckert. „Eine Alte-Hasen-Regel ist also zulässig.“ So wurde das Problem auch im TVöD gelöst, der den BAT abgelöst hat: Darin geht es um Leistung und Berufserfahrung statt ums Alter.