Gut für die Gesundheit Im Alter: Warum Singen so guttut - und wie Sie sich trauen

Syrgenstein/Wien · Nicht nur in der Weihnachtszeit: Regelmäßiges Singen hebt die Stimmung und wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Wenn wir denn die Scheu erst einmal überwunden haben. Wie gelingt das?

Ganz im Moment, verschmolzen mit der Musik: Singen hat nicht nur positive Auswirkungen auf den Körper, sondern auch auf die Psyche.

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Sie singen allenfalls unter der Dusche, wenn niemand sonst im Haus oder der Wohnung ist? Damit sind Sie nicht allein, viele haben Angst, in der Gegenwart anderer Menschen zu singen. Schnell dreht sich da das Gedankenkarussell: Treffe ich die Töne? Machen die anderen sich über mich lustig?

Es lohnt sich, diese Gedanken zu hinterfragen - und sie umzudeuten. „Ich habe den Leitsatz: Beim Singen gibt es keine Fehler, sondern nur Variationen“, sagt der Musiktherapeut Wolfgang Bossinger. Viele Menschen in Deutschland seien jedoch geradezu „gesangstraumatisiert“, wie er beobachtet. „Das hängt mit unangenehmen oder auch beschämenden Erfahrungen zusammen, wie etwa dem Vorsingen in der Schule.“ Viele hätten auch in jungen Jahren gesagt bekommen, dass sie nicht singen könnten.

Eine entspannte und ermutigende Atmosphäre nimmt die Angst vor dem Singen. Denn wir alle dürfen trällern, schmettern und tönen - ob allein für uns oder im Chor. Wir sollten es sogar, schließlich zahlt es auch auf unsere Gesundheit ein.

Senioren, die regelmäßig singen, unterstützen mit diesem Hobby ganz nebenbei ihre Gesundheit und ihren Geist.

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Das bewirkt Singen im Körper

Studien konnten etwa zeigen, dass es beim Singen zu einer erhöhten Ausschüttung von Immunglobulin A kommt. Das ist ein Antikörper, der in den Schleimhäuten vorkommt und dort Krankheitserreger und Allergene bekämpft. Zur Ausschüttung von Immunglobulin A kommt es vor allem dann, wenn Begeisterung beim Singen im Spiel ist. Wolfgang Bossinger sagt: „Wenn man seine Lieblingslieder mit Freude singt und ohne Leistungsdruck, dann pusht man geradezu sein eigenes Immunsystem.“

Der Musiktherapeut hat einen Verein gegründet, der ein Angebot zum regelmäßigen Singen in Krankenhäusern ermöglicht. Bei diesen Veranstaltungen kommen Menschen mit den unterschiedlichsten Krankheiten zusammen. Viele kämen danach auf ihn zu und berichteten von deutlichen Verbesserungen. „Menschen mit chronischen Schmerzen, die hoch dosierte Opiate einnehmen müssen, berichten mir nach dem Singen, dass sie beim Singen keine Schmerzen spüren“, berichtet er.

Ein anderes Beispiel seien Menschen mit Aphasie, die aufgrund von Hirnschädigungen - etwa im Zuge eines Schlaganfalls - nicht oder kaum mehr sprechen können. Musiktherapeut Bossinger zufolge können Betroffene oft aber noch Liedtexte singen. Durch das gemeinsame Singen können sie, die ansonsten sprachlich isoliert sind, wieder teilhaben an der Gesellschaft.

Auch bei Lungenkrankheiten gibt es Hinweise darauf, dass regelmäßiges Singen zum Teil die Lungenfunktion wieder verbessern könne. Vor allem das Gefühl der Atemnot kann gemindert werden.

Und auch bei Patienten mit schweren Depressionen scheint Gesang zumindest eine kurzfristige Verbesserung zu bewirken. „Es geht hier nicht um anhaltende Verbesserungen, das wäre natürlich zu viel verlangt“, sagt Wolfgang Bossinger. Doch für viele Menschen sei es wichtig zu merken, dass sie durch ihre eigene Aktivität ihren Zustand verändern können. Manche sagen: „Ich habe mich beim Singen völlig frei gefühlt und mein ganzes Grübeln war weg.“

Sich durchs Singen sortieren

Singen kann dabei helfen, Gefühle zu sortieren. Schließlich gibt es emotionale Eindrücke, die auf uns Menschen einwirken, derer wir uns aber gar nicht bewusst sind. Durch das Singen können wir einen Umgang damit finden. „Manchmal werden die Leute plötzlich aggressiv oder sind depressiv, erschöpft und wissen nicht, warum“, sagt Prof. Gertraud Berka-Schmid, die ausgebildete Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie ist und an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien gelehrt und geforscht hat. „Das Singen hilft ihnen dabei, wieder eine körperlich-seelische Balance herzustellen.“

Wie sich das erklären lässt? Beim Singen verändert sich die Atemgestaltung, vor allem die Ausatmung wird länger. Mit Auswirkungen auf das autonome Nervensystem: Der Parasympathikus wird dadurch stärker aktiviert, er ist mit Ruhe und Entspannung verbunden. Sein Gegenspieler, der Sympathikus, wird hingegen entlastet. Er wird mit Anspannung in Verbindung gebracht.

Im Alltag haben die meisten Menschen nur die flache Atmung. Wenn man jedoch beim Singen einen Ton lange halten muss, benötigt man vor allem die Muskelkraft der Bauch- und Flankenmuskulatur, um die Ausatmung zu verlangsamen.

Danach atmen wir tief wieder ein. Das verbessert die Sauerstoffsättigung im Körper und entlastet auch das Herz. Pluspunkt: Um einen vollen Stimmklang beim Singen zu erreichen, braucht es eine offene, aufrechte Körperhaltung, die viele von uns im Alltag vernachlässigen.

So tasten wir uns ans Singen heran

Sie hatten bisher wenig oder keinen Zugang zum Singen? Gertraud Berka-Schmid rät, neugierig sein und einfach einmal ausprobieren, wie wir unseren Körper zum Klingen bringen können. „Man sollte nicht mit schwierigen Stücken anfangen, sondern für sich allein in der mittleren Stimmlage - wo man sich wohlfühlt - experimentieren, wie etwa ein Vokal in verschiedenen Tonhöhen klingen kann“, sagt die Medizinerin, die selbst ehemalige Opernsängerin ist.

„Man kann auch erst einmal summen oder brummen mit der Hand auf der Mitte der Brust, über dem Brustbein, um die Vibrationen, die die Stimme im Körper hervorbringt, zu erleben“, rät sie. Danach kann man sich trauen, Stimmungen in die Stimme zu bringen. „Das Wichtigste dabei ist Spaß daran zu haben, sich selbst auf diese Art - vielleicht neu - kennenzulernen.“

Wer spielerisch an das Thema herangeht, merkt womöglich: Die Angst verliert sich. „Man muss zu Beginn vielleicht gar nicht von Singen reden. Klingen ist die bessere Einstiegsvokabel“, sagt Berka-Schmidt. „Und der Körper darf wieder zum Klingen gebracht werden.“

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(dpa)