Jugend auf Droge? Immer mehr Rauschgift-Kriminalität an Schulen
München (dpa) - Auf dem Schulklo einen Joint drehen, unter dem Tisch ein Tütchen mit Marihuana gegen Bares tauschen - oder ein paar Pillen gleich gemeinsam in einer Ecke des Schulhofs einwerfen.
Eigentlich verbindet man mit dem Alltag an Schulen Lehrbücher, Tafelkreide und Aufsätze. Aber Zahlen der Landeskriminalämter und der Innenministerien zeigen: Auch Drogen gehören inzwischen in diese Aufzählung.
Ob Cannabis oder chemische Keulen wie das seit rund zehn Jahren verstärkt kursierende Crystal Meth: Auf Deutschlands Schulhöfen hat die Rauschgiftkriminalität in den vergangenen Jahren teils drastisch zugenommen. In Baden-Württemberg etwa hat sich die Zahl der Drogendelikte am Tatort Schule fast verdreifacht. 2011 waren es noch 348, 2015 dagegen 939 Fälle - und das trotz eines flächendeckenden Suchtpräventionsprogramms.
Auch in Sachsen-Anhalt hat sich die Zahl der Delikte - wenn auch auf niedrigerem Niveau - verdreifacht und ist von 42 im Jahr 2011 auf 109 im Jahr 2015 gestiegen. Die Landeskriminalämter Nordrhein-Westfalen und Sachsen melden jeweils eine Verdoppelung der Fälle (in NRW von 443 auf 897 Delikte, in Sachsen von 69 auf 128), ähnlich stark sind auch die Zuwächse in Thüringen. In Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hessen ist ein leichter Anstieg festzustellen.
In den meisten Fällen geht es dabei um den Besitz oder Kauf von Betäubungsmitteln, im Fokus steht die Droge Cannabis. In den meisten Fällen erwischt die Polizei dabei Jugendliche - deutlich seltener gehören Kinder unter 14 Jahren zu den Tätern. Unter dem Tatort Schule werden außerdem Drogendelikte von erwachsenen Schulangehörigen - also etwa Lehrern und Hausmeistern - gezählt, die aber keine allzu große Rolle im Verhältnis zur Gesamtzahl spielen.
Es ist also vor allem die Jugend, die hinter der Drogenkriminalität an Schulen und damit auch dem starken Anstieg der Fallzahlen steht. Doch was sind die Gründe für diesen Trend? Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), sieht vor allem in der „gesellschaftlichen Verharmlosung von Cannabis“ einen wichtigen Aspekt dieser Entwicklung.
Ähnlich formuliert es das bayerische Innenministerium: „Die illegalen Angebote richten sich in ihrer verharmlosenden Aufmachung als Spaß- und Lifestyle-Produkte geradewegs an die internetaffine Jugend.“ Vor allem die Verfügbarkeit über das Internet und das Darknet - einen anonymen Bereich des Internets - sorge für einen überproportionalen Anstieg in diesen Altersklassen.
„Insbesondere bei jungen Menschen stehen Prävention und Aufklärung im Vordergrund“, sagt die Drogenbeauftragte Mortler mit Blick auf diese Entwicklung. Über ihre Präventionsmaßnahmen geben die einzelnen Bundesländer gerne Auskunft - und beweisen Kreativität bei der Namensgebung: Von FreD in Rheinland-Pfalz (Frühintervention bei erstauffälligem Drogenkonsum) über „sauba bleim“ im Großraum München bis hin zum Beratungsportal „Quit the Shit“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Aber haben die Erfolg?
„Es wird viel in Sachen Prävention gemacht. Aber ob das alles nachhaltig und wirksam ist, dahinter steht ein großes Fragezeichen“, sagt Eva Hoch. Die Wissenschaftlerin wertet an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität in einem kleinen Forschungsprojekt Maßnahmen der Cannabisprävention in Deutschland aus. „Wir wissen zum Beispiel nicht, ob die Risiko-Bereitschaft nach der Thematisierung in der Schule steigt“, sagt Hoch.
Dass die Gesundheitsförderung und Prävention ein integraler Bestandteil der Schulentwicklung sei, hat die Kultusministerkonferenz in einem Beschluss aus dem Jahr 2012 festgeschrieben. „Sie stellen keine Zusatzaufgaben der Schulen dar, sondern gehören zum Kern eines jeden Schulentwicklungsprozesses“, heißt es dort.
Der Vorsitzende des Lehrerverbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, weist darauf hin, dass nicht allein die Schulen die Prävention regeln könnten - und bezieht die Eltern in die Aufgabe mit ein. „Entscheidend sind auch andere Umstände, wie die Thematisierung und der Umgang damit im Elternhaus und die Vorbildfunktion von Eltern“, sagt Beckmann. Es brauche auch eine gesellschaftliche Verschärfung des Zugangs zu Drogen.
Die Debatte zur Legalisierung von Cannabis ist da nicht mehr weit. Die Befürworter argumentieren unter anderem, dass das Verbot von Cannabis keinerlei positive Signalwirkung oder sonstige positive Auswirkung habe. Stattdessen führe das Verbot zu einer unnötigen Belastung der Polizei.
Die Drogenbeauftragte Mortler hält von den Legalisierungs-Ideen nichts: „Ich lehne die Freigabe des Konsums zu Freizeitzwecken ab“. Eine Legalisierung würde von Jugendlichen als „staatliche Unbedenklichkeitsbescheinigung“ aufgefasst werden - und genau das sei nicht der Fall, sagt die CSU-Politikerin: „Den Jugendlichen muss vermittelt werden, dass Cannabiskonsum keineswegs harmlos ist und sie mit Cannabiskonsum ihr Gehirn in einer besonders sensiblen Lebensphase schädigen.“