Verbraucherpreise sinken: Gewinner und Verlierer
Frankfurt/Main (dpa) - Erstmals seit Jahren sinken die Verbraucherpreise in Deutschland wieder. Das stärkt die Kaufkraft der Verbraucher. Doch es gibt auch Verlierer. Vor allem Sparer haben es derzeit schwer, einen Zuwachs zu erzielen.
Der Einbruch beim Ölpreis hat die Inflation in Deutschland ins Minus gedrückt. Verbraucher können günstiger als vor einem Jahr tanken und heizen, auch Nahrungsmittel kosteten zuletzt weniger. Experten sind sich einig: Die Inflation wird noch einige Zeit sehr niedrig bleiben. Für wen ist das gut, wem schadet das?
PRO:
Verbraucher: Die großen Gewinner sinkender Preise sind die Konsumenten. „Das Leben in Deutschland wird billiger“, titelte Commerzbank-Ökonom Marco Wagner, nachdem das Statistische Bundesamt für Januar erstmals seit September 2009 wieder negative Inflationszahlen errechnet hatte. Da der starke Rückgang der Ölpreise aktuell Hauptauslöser der Entwicklung ist, profitieren Verbraucher vor allem beim Tanken und beim Heizen. Auch deshalb ist die Konsumlaune der Deutschen nach Zahlen der Nürnberger GfK so gut wie seit mehr als 13 Jahren nicht.
Arbeitnehmer und Rentner: Generell gilt: Wer längerfristig gleichbleibende Einkommen wie Tarifgehälter, Renten oder Sozialleistungen bezieht, kann sich mehr für sein Geld leisten, wenn Preise sinken. Und von Einkommens- oder Lohnerhöhungen bleibt real - also nach Abzug der Teuerung - deutlich mehr Geld in den Taschen der Verbraucher. Nach Zahlen der Statistiker fiel die Reallohnsteigerung schon 2014 mit 1,6 Prozent so stark aus wie noch nie seit der Wirtschaftskrise 2008.
Unternehmen: Wenn Verbraucher wegen fallender Sprit- und Heizölpreise mehr Geld zur Verfügung haben, können sie sich mehr andere Dinge leisten. „Wenn eine niedrige oder gar negative Inflationsrate mit sehr niedrigen Sparzinsen zusammenfällt, steigt der Anreiz für Verbraucher, ihr Geld auszugeben“, betonen Ökonomen der Bank NIBC. Das stärkt die Nachfrage bei den Unternehmen, die auf der Kostenseite ohnehin schon von den niedrigeren Einkaufspreisen für den Rohstoff Öl profitieren.
Kreditnehmer: Wegen der Mini-Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins fast auf null Prozent gesenkt. Das drückt die Zinsen, die Banken von Privatleuten und Unternehmen für Kredite verlangen. So kommen auch Immobilienkäufer derzeit so günstig wie nie an Baugeld. Nach Zahlen der FMH Finanzberatung sind Hypotheken mit zehn Jahren Laufzeit aktuell im Schnitt für 1,41 Prozent Zinsen zu haben. Vor einem Jahr lag das Niveau noch bei 2,49 Prozent, vor fünf Jahren bei 4,03 Prozent. Auch Staaten können sich am Markt günstiger frisches Geld besorgen, das entlastet indirekt die Steuerzahler.
Konjunktur: Die Talfahrt der Ölpreise schiebt die deutsche Wirtschaft an. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat mehrfach betont: „Diese Entwicklung wirkt ähnlich wie ein kleines Konjunkturprogramm.“
KONTRA:
Deflationsgefahr: Die EZB sieht Preisstabilität bei einer Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent. Davon ist die Teuerung derzeit meilenweit entfernt. Notenbanker warnen daher vor einer möglichen Deflation. Darunter verstehen Ökonomen einen Teufelskreis aus sinkenden Preisen, steigenden Reallöhnen, niedrigeren Gewinnen und schrumpfender Nachfrage, weil Verbraucher und Unternehmen Anschaffungen und Investitionen aufschieben. Denn es könnte ja bald noch billiger werden. Die geringe Nachfrage kann weitere Preissenkungen zur Folge haben: Die Wirtschaft friert ein. Dieses Szenario ist aktuell jedoch umstritten. Weidmann sagt: „Was wir derzeit sehen, ist ein Inflationsrückgang und keine Deflationsspirale aus sinkenden Preisen und Löhnen. Die Gefahr einer sich selbst verstärkenden Deflation ist nach wie vor als sehr gering einzuschätzen.“
Sparer: Durch das magere Zinsniveau werfen Tagesgeld und Sparkonto fast nichts mehr ab. Wer Abstriche bei der Altersvorsorge vermeiden will, muss mehr Geld zurücklegen - oder größere Risiken eingehen.
Schuldner: Inflation knabbert bestehende Schulden weg - ohne Preisauftrieb wird der Schuldenabbau schwerer. EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio betont: „Wenn die Inflation sehr niedrig ist und das Wachstum ebenfalls, dann wird es immer schwieriger, Schulden zu bedienen.“ Die NIBC-Ökonomen sind überzeugt: Die Angst vor sinkenden Preisen ist deshalb so groß, weil die Entwicklung die Schuldenlast verstärkt und damit die Gefahr von Pleiten erhöht.