Auf Selbsterforschung: Meditieren für die Wissenschaft

Berlin (dpa) - Um Stress abzubauen und innere Kraft zu schöpfen, setzen sich immer mehr Menschen hin und meditieren. Aber wie funktioniert die Entspannung genau - und lässt sie sich am Gehirn ablesen?

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Das wird nun genauer untersucht: Probanden meditieren in der Röhre.

Richard Gere tut es mit Hingabe. Topmodel Christy Turlington ebenso. Und auch in Deutschland sind es längst nicht nur vom Burnout bedrohte Manager, die Meditation für sich entdecken, um Stress abzubauen, zu mehr Gelassenheit und innerer Ruhe zu gelangen. Ein neuer Trend nach Joggen und Pilates? Mehr als das, sagt die Hirnforscherin Prof. Tania Singer. Die Direktorin des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig arbeitet seit Jahren daran, die günstigen Auswirkungen von Meditation auf das menschliche Gehirn nachzuweisen - mittels harter Wissenschaft und Hirn-Scans. Derzeit läuft dazu eine weitere große Studie in Berlin und Leipzig.

Das US-Wissenschaftsjournal „Science“ widmete ihren Arbeiten jüngst eine große Story. Denn Singer bewegt sich in einer Grauzone, die lange auch von Kollegen skeptisch beäugt wurde. Soziale Neurowissenschaft heißt das junge Fachgebiet, in dem sich weltweit erst wenige Experten tummeln. Grundlagen der Meditationsforschung legten dazu neben US-Pionierin und Harvard-Psychologin Sara Lazar unter anderem auch das Team um den Psychologen Ulrich Ott vom renommierten Bender Institute of Neuroimaging (BION) der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Meditation wirkt, wie viele Meditierende berichten. Aber wie und wo genau? Das wollen die Forscher wissen, messen Hirnströme, schieben Probanden in die MRT-Röhre. Denn viele frühere Studien kranken daran, dass sie wissenschaftlich kaum belastbar sind - meist, weil Kontrollgruppen fehlten. Ernüchternd waren dann 2007 auch die Ergebnisse einer großen US-Metaanalyse, die in den über 800 ausgewerteten Meditations-Studien kaum Aussagekräftiges fand.

Doch neuere Untersuchungen versuchen solche methodischen Schwachpunkte zu vermeiden. Forscher aus Gießen und Harvard etwa untersuchten erstmals die Auswirkungen eines bewährten Achtsamkeits-basierten Meditationsverfahrens namens MBSR (Mindfulness-Based-Stress-Reduction) mittels Hirn-Scan. Während die Teilnehmer nach acht Wochen MBSR-Praxis berichteten, besser mit Stress umgehen zu können, zeigten sich auch deutliche Veränderungen in der Hirnstruktur: Weniger Dichte der grauen Substanz an der Amygdala, die für die Verarbeitung von Stress und Angst wichtig ist, mehr Dichte dafür im Hippocampus und Regionen, die für Selbstwahrnehmung und Mitgefühl zuständig sind.

„Aber“, so betont Ott, „die Effekte verschwinden wieder, wenn man mit dem Meditieren nicht weiter macht.“ Neueste Stoßrichtung ist in Gießen nun die Suche nach handfesten Belegen für erste Hinweise, dass Meditation das Altern des Gehirns verlangsamt. „Das könnte auch bei der Vorbeugung von demenziellen Abbauprozessen eine Rolle spielen.“

Tania Singer möchte nachweisen, dass bestimmte, für das Mitgefühl verantwortliche Hirnareale durch Meditation gezielt trainiert und vergrößert werden können. Im ReSource-Projekt meditieren 160 Probanden neun Monate lang mindestens sechs Tage pro Woche, teils unter Anleitung, teils allein. Nach dreimonatiger „Grundausbildung“ erlernt eine Gruppe spezielle Mitgefühls-Meditationen, eine andere ein Verfahren zur Gedankenbeobachtung. Außerdem müssen die Probanden regelmäßig in speziellen Computerspielen ihre Emotionen zeigen, auch Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Für die letzte Welle der Erhebungen werden noch Teilnehmer gesucht.

Was Singer danach in den Auswertungen von Hirnscans und Stressparametern im Blut zu finden hofft? „Die Signatur des Mitgefühls“, lautet ihre Antwort. Dabei definiert sie Mitgefühl nicht als bloße Empathie, das Mitschwingen mit den Gefühlen anderer, sondern als grundlegendes Wohlwollen anderen gegenüber - auch außerhalb von Familie und Freundeskreis.

Religion möchten die Forscher dabei bewusst außen vor lassen. „Mitgefühl ermöglicht uns Kooperation, menschliches Miteinander und die Sorge für das Ganze“, sagte Singer in einem Interview. „Das ist überhaupt nicht spirituell oder religiös.“ Vielmehr sei es ein biologisch verankertes, zum Überleben wichtiges Motivationssystem - und keineswegs nur eine „nasse Nudel“. Auch für Ulrich Ott, Autor des Bestsellers „Meditation für Skeptiker“, funktioniert Meditation grundsätzlich auch ohne Spiritualität. „Aber viele, die sie länger betreiben, dringen dann doch zu tieferen Fragen vor“, stellte er fest.

Singer zumindest glaubt an den Mehrwert durch Mitgefühl: Sie ist Mitherausgeberin eines multimediales eBooks, das verschiedenste Ansätze des Mitgefühl-Trainings auf wissenschaftliche Weise versammelt - unterstützt vom Künstler Olafur Eliasson und zum kostenlosen Download für jedermann.

Literatur:

Ulrich Ott: Meditation für Skeptiker, Verlag O.W. Barth, 208 Seiten, 14,99 Euro, ISBN-13: 3426291002