H10N8 womöglich ansteckender als andere Vogelgrippeviren
Peking (dpa) - Das neue Virus H10N8, das in China im Dezember zu einem ersten Todesfall geführt hatte, könnte sich möglicherweise leichter unter Menschen ausbreiten als andere Vogelgrippeviren.
„Das pandemische Potenzial dieses neuen Virus sollte nicht unterschätzt werden“, warnen chinesische Wissenschaftler im britischen Medizin-Journal „Lancet“. Viele Vogelgrippeviren können Symptome beim Menschen auslösen, als besonders gefährlich haben sich in den vergangenen Jahren H5N1 und H7N9 erwiesen.
Anfang Dezember wurde nun bei einer 73-Jährigen in Nanchang, der Hauptstadt der ostchinesischen Provinz Jiangxi, erstmals das Virus H10N8 nachgewiesen. Die Frau hatte am 27. November erste Symptome wie Husten gezeigt, war am 30. November mit Fieber und Atemproblemen ins Krankenhaus gebracht worden und dort neun Tage nach Ausbruch der Krankheit an multiplem Organversagen gestorben.
Die Analyse weise darauf hin, dass H10N8 den Tod verursachte, berichten die Forscher. Eine zusätzliche Infektion mit Bakterien oder Pilzen habe es nicht gegeben. Die Frau hatte vier Tage vor Auftreten der ersten Symptome einen Markt mit lebendem Geflügel besucht. Das wäre eine typische Inkubationszeit für Vogelgrippeviren - direkt nachgewiesen werden konnte H10N8 in Proben von dem Markt nicht.
In der Provinz Jiangxi sei aber Ende Januar eine weitere Erkrankung entdeckt worden. „Das bereitet große Sorgen, weil es zeigt, dass das H10N8-Virus sich weiter verbreitet und in der Zukunft mehr menschliche Infektionen auslösen kann“, wird Mitautor Mingbin Lin vom Gesundheitsamt in Nanchang in einer „Lancet“-Mitteilung zur Studie zitiert.
Das Virus H10N8 war bis dahin nur zweimal nachgewiesen worden - und das nicht bei Menschen: 2007 in einer Wasserprobe im Dongting-See in der Provinz Hunan und 2012 in einem Geflügelmarkt in der Südprovinz Guangdong. Die Erbgut-Analyse zeige allerdings, dass das jetzt festgestellte H10N8-Virus anders sei, berichteten die Wissenschafter. Es habe genetische Eigenheiten entwickelt, die es ihm erlauben könnten, „sich in Menschen rasch zu vervielfältigen“, erläutert Mitautor Yuelong Shu von Chinas Gesundheitsbehörde in Peking.
Das Virus habe eine Mutation in einem Gen, von dem vermutet werde, dass es mit erhöhter Ansteckungsfähigkeit und Anpassung an Säugetiere in Verbindung stehe, so Qi Jin von der Akademie der Medizinwissenschaften in Peking. „Es könnte dem Virus ermöglichen, für Menschen ansteckender zu werden.“ Bisher wurde eine Übertragung von Mensch zu Mensch - etwa in der Familie der 73-Jährigen - nicht festgestellt. Frühere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass das Virus sich in Mäuse-Lungen wirksam vervielfältigt und sich seine Pathogenität dabei erhöht.
Eine Infektion eines Menschen mit dem Vogelgrippevirus H5N1 war erstmals 1997 in Hongkong nachgewiesen worden. Seit 2003 seien etwa 650 Infektionen mit dem Erreger registriert worden, berichten die Wissenschaftler. In insgesamt 15 Ländern seien mehr als 380 Menschen daran gestorben. Bei H7N9 sei der erste Nachweis im März 2013 erfolgt, bis Ende Januar seien 250 Infektionen und 70 Tote erfasst worden.
Die Ziffern hinter „H“ und „N“ stehen für wichtige Oberflächenstrukturen, anhand derer die Viren Subtypen zugeordnet werden. Aus dem Namen lässt sich unter anderem auf die Abstammung des jeweiligen Virus rückschließen: Die Untertypen befallen üblicherweise jeweils nur bestimmte Wirte. Durch natürliche Genveränderungen entstehen fortwährend neue Varianten der Viren.
China ist wegen des oft engen Miteinanders von Mensch und Vieh besonders von Übertragungen auf den Menschen betroffen. Experten befürchten, dass auf diese Weise einmal eine verheerende globale Pandemie ihren Ursprung nehmen könnte.