Digitalisierung stockt Intelligente Stromzähler kommen später
Essen (dpa) - Wäsche waschen, wenn der Strom für die Waschmaschine besonders preiswert ist. Das Elektroauto mitten in der Nacht laden. Oder den Strom der Solaranlage auf dem eigenen Dach zu guten Preisen ins Netz abgeben.
Dafür sollen intelligente Stromzähler sorgen.
Doch die Einführung dieser Tausendsassas der Energiewende ist ins Stocken geraten. Dabei sollten die ersten größeren Stromverbraucher schon seit dem vergangenen Jahr mit den Smart-Metern ausgerüstet werden. Aber die Zugänge („Gateways“), die den Zähler mit den Netzbetreibern und den Stromlieferanten verbinden sollen, sind immer noch nicht zugelassen.
Für die meisten Privathaushalte sind solche intelligenten Stromzähler
ohnehin noch Zukunftsmusik. Bei ihnen wird nur der vertraute schwarze
Zähler mit Drehscheibe gegen einen digitalen Stromzähler
ausgetauscht. Er kann „ein bisschen mehr als die alten Zähler“, sagt
der Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Udo
Sieverding.
An den digitalen Geräten kann der Kunde ablesen, wie viel Strom er
beispielsweise am Vortag, in der vergangenen Woche oder im ganzen
Monat verbraucht hat. Noch sei das Ablesen der Werte aber schwierig:
Viele Geräte müssten dafür umständlich mit einer Taschenlampe
angeblinkt werden, bemängelt Sieverding. Zum Ablesen für die
Stromrechnung muss weiter ein Mitarbeiter des Stromlieferanten kommen
oder der Kunde gibt die Daten selbst über das Internet ein.
Der Nutzen der modernen Zähler halte sich daher für den Stromkunden
in Grenzen. „Wer seine Stromfresser sind, weiß er auch so“, sagt der
Verbraucherschützer. Die höheren Kosten der neuen Zähler, für die im
Jahr maximal 20 Euro berechnet werden dürfen, etwa 7 Euro mehr als
bisher, ließen sich beim Stromverbrauch mit Hilfe der neuen Geräte
vermutlich nicht einsparen. Und wenn der neue Zähler nicht in den
Zählerkasten passe, könne es für den Haubesitzer richtig teuer
werden.
Etwa 88 Prozent der Haushalte in Deutschland sollen diese digitalen
Zähler erhalten. Der Austausch läuft bereits. Bis aber alle Haushalte
neue Messgeräte erhalten haben, wird viel Zeit vergehen. Bis 2032
sollen alle Verbraucher laut Bundesnetzagentur mit modernen
Messeinrichtungen ausgestattet sein. Ihr zufolge gab es 2016 rund 7
Millionen elektronische und gut 43 Millionen klassische Zähler.
Zum intelligenten Stromzähler werden die digitalen Geräte erst dann,
wenn sie eine Kommunikationseinheit erhalten und über das Internet
Daten versenden können. Doch hier hakt es. Dabei sollten Haushalte
mit einem Stromverbrauch von mehr als 10 000 Kilowattstunden im Jahr
und Betreiber von Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mehr als
7 Kilowatt schon seit 2017 intelligente Messsysteme erhalten. Ab
einem Jahresverbrauch von 6000 Kilowattstunden ist ein Pflichteinbau
von 2020 an vorgesehen. Bei einem geringeren Jahresverbrauch kann der
Stromkunde den Einbau eines intelligenten Messsystems beantragen.
Doch noch hat keiner der Zugänge, die die Daten übertragen sollen,
die Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik (BSI) erhalten. Neun Hersteller haben ihre Geräte eingereicht, teils schon vor Jahren. Das BSI schweigt, woran die Verzögerung liegt. „Aus Gründen der Vertraulichkeit kann das BSI
keine Auskunft zum voraussichtlichen Abschluss der
Zertifizierungsverfahren für die Smart Meter Gateways erteilen“, sagt
ein Sprecher.
Die Sicherheitsanforderungen an die Zugänge sind hoch. Ohne
ausreichenden Schutz könnten Hacker den Stromzähler manipulieren oder
das Haus komplett vom Strom nehmen. Auch Erkenntnisse über Alltag,
Gewohnheiten und Lebensstandard der Bewohner könnten über
unzureichend abgesicherte Schnittstellen abgegriffen werden, warnen
Verbraucherschützer.
„Der Zertifizierungsprozess ist komplex und anspruchsvoll. Sowohl das
BSI als auch die Hersteller betreten Neuland“, sagt Nikolaus
Starzacher vom Gerätehersteller Discovergy. „Das BSI nimmt seine
Aufgabe zu Recht sehr ernst und lässt sehr gründlich prüfen.“
Dicovergy hat seinen Antrag später als andere Hersteller eingereicht
und rechnet mit einer Genehmigung bis Ende des Jahres. Erst wenn das
BSI Geräte von drei voneinander unabhängigen Herstellern zertifiziert
hat, kann die Auslieferung beginnen.
Auch die großen Stromkonzerne warten auf die Entscheidung des BSI.
Der Versorger Eon hat bereits 16 000 Gateways für einen kleinen Teil
seiner rund 6 Millionen Kunden geordert und erwartete die
Zertifizierung bis zum Ende des ersten Quartals 2017 - vergebens.