Stromspar-Helfer bringen gratis Glühlampen und Stecker
Berlin (dpa) - Die Energiewende treibt die Strompreise in ungeahnte Höhen, sagen Kritiker. Doch die steigenden Energiekosten sind eher ein langfristiger Trend. Ein Projekt für Geringverdiener zeigt, wie einfach sich Verbrauch und Kosten stark drosseln lassen.
Die Straßenzüge am Chamissoplatz in Berlin-Kreuzberg säumen Gründerzeit-Altbauten, schick ist der bei Künstlern und Touristen beliebte Kiez. Armut und Sparzwang bei Haushaltskosten ist hier nicht unbedingt zu vermuten. Vor einem Hauseingang warten Stefan Grewe und Norbert Bekera* auf Einlass, in ihrer Tüte haben sie 19 Energiesparlampen, abschaltbare Stecker und Wasserdurchfluss-Begrenzer. Sie sind als Stromspar-Helfer im Einsatz und somit Verbündete der Regierung.
Denn mit ein paar kleinen Kniffs lässt sich schon viel sparen. Grewe und Bekera gehen in den ersten Stock, eine Studenten-WG. Der 31 Jahre alte Jens Meier* hat aus der Presse von dem Projekt Stromspar-Check der Caritas und des Bundesverbandes der Energie- und Klimaschutzagenturen erfahren. Es hilft allen Geringverdienern und Beziehern von Sozialleistungen. Die Studenten-WG bekommt Wohngeld.
Die arbeitslosen, vom Jobcenter eingesetzten Stromspar-Helfer analysieren beim ersten Besuch Raum für Raum, wo es Einsparpotenzial gibt. Bei dem zweiten Termin rücken sie mit Materialien an, die es kostenlos gibt. Mit diesen lässt sich der Verbrauch bei Energie und Wasser um durchschnittlich 13 Prozent drosseln. Damit kann so manche Preiserhöhung kompensiert und eine Stromsperre verhindert werden.
Stromspar-Helfer wie Grewe und Bekera erhalten vor dem ersten Einsatz bis zu 100 Stunden fachliches Training. 70 000 Haushalten wurde so bundesweit schon geholfen, 800 000 Stromsparartikel wurden bisher eingebaut - umsonst. Das Haus von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) fördert das Projekt - im Juni erhielt es in Brüssel den Sustainable Energy Europe Award in der Kategorie Verbraucher.
Auch in der Studenten-WG gibt es so einiges zu verbessern. Da ist in der Wohnküche das Radio auf dem Fensterbrett, was seit dem Einzug 2006 kaum genutzt wird, aber dennoch kontinuierlich Strom zieht. „Das Ding hat mich seit dem Einzug 100 Euro für nichts gekostet“, ärgert sich Studienabsolvent Meier.
Im Badezimmer haben die Stromspar-Helfer festgestellt, dass auch die Waschmaschine nur auf den ersten Blick keinen Strom verbraucht, wenn sie ausgeschaltet ist. Für die Strom-Checker ist das ein „klassischer Shine-Out“, das heißt, auch sie zieht unbemerkt Strom. Bei beiden Geräten helfen Stecker, die sich per rotem Schalter ein- und ausschalten lassen. Kostet nur drei Euro das Stück. Bei beiden Geräten lassen sich so zusammen 31 Euro pro Jahr sparen.
In der Küche lässt sich der Wasserdurchlauf durch einen Durchfluss-Begrenzer von 20 Liter auf 4,5 Liter in der Minute begrenzen. Und Meier erfährt, dass jedes zusätzliche Grad Runterkühlen beim Kühlschrank sechs Prozent mehr Energie frisst.
Am Ende steht für 116 Euro an Energiesparartikeln, die Meier gratis bekommt, ein erstaunliches Ergebnis. 522 Euro kann die WG pro Jahr nun einsparen - 222 Euro beim Strom (allein 80 Euro durch einen Verzicht auf Standby-Betrieb), 199 Euro beim Wasser und 101 Euro für die Warmwassererwärmung, vor allem beim Duschen.
Bundesumweltminister Peter Altmaier sagte jüngst, das Ziel, bis 2020 zehn Prozent Strom im Vergleich zu 2008 einzusparen, könnte verfehlt werden. Zumindest in Haushalten scheint aber das Potenzial erheblich zu sein. Das Problem: Gerade einkommensschwache Bürger haben kein Geld, um sich die neuesten energiesparenden Kühlschränke zu kaufen. Hier lässt sich aber bis zu zwei Drittel Strom durch neuere Modelle sparen.
Die Stromspar-Helfer berichten, dass viele Bürger zudem gar nicht wüssten, wie viel Energie Handy- und Laptopkabel fressen, die pausenlos eingesteckt sind. Arabische Familien würden besonders viel kochen, und bei Arbeitslosen sei das Problem, dass sie mehr Zeit zu Hause verbringen und so mehr verbrauchen. Oft laufe zudem der Fernseher den ganzen Tag als Hintergrundmusik.
Dazu klettern die Strompreise in die Höhe. Über die Energiewende habe sich laut Stromsparhelfer Grewe aber noch keiner beschwert. Zudem habe der Preis seit 2005 um 40 Prozent zugelegt, das sei ein längerer Trend.
*Die Namen der Stromspar-Helfer und des Studenten wurden auf deren Wunsch geändert.