Einfach leben Tiny House: Wohnen im Mini-Eigenheim
Klosterfelde (dpa) - Sylvia Dreyer ist glücklich in ihren eigenen vier Wänden. Zwar hat sie nur 17 Quadratmeter und eine Hochebene zum Schlafen. Doch mehr will die 56-jährige Singlefrau auch nicht.
„Ich bin leidenschaftliche Camperin und habe jetzt das, was ich immer wollte: Ein Leben in einfachen Verhältnissen mitten in der Natur und ohne zusätzliche Betriebskosten“, sagt sie. Das genießt die gelernte Finanzbuchhalterin nun in ihrem 38 000 Euro teuren hölzernen „Tiny-House“ auf einem kleinen Campingplatz bei Klosterfelde in Brandenburg.
Im Internet hatte die gebürtige Hamburgerin die Mini-Häuser entdeckt. Die „Tiny-House“-Bewegung kommt aus den USA und findet in Deutschland bisher vor allem in Großstädten Anhänger. Der Name bedeutet „winzige Häuser“. Sie kosten zwischen 20 000 und 140 000 Euro, von Massivbauweise über den Holzrahmenbau bis hin zu Blockhäusern ist alles möglich.
In Berlin stehen neun Mini-Häuser auf dem Gelände des Bauhaus-Archivs, bewohnt von knapp zwei Dutzend Enthusiasten. „Wir sind keine Ausstellung, sondern demonstrieren, dass so ein Leben funktioniert“, sagt Architekt Van Bo Le-Mentzel. Angesichts der nicht funktionierenden Mietpreisbremse und knappen Wohnraums müsse die Gesellschaft kreativ reagieren.
„Die meisten Hürden gibt es im Kopf“, meint Le-Mentzel. „Viele können sich nicht vorstellen, auf so kleinem Wohnraum zufrieden zu leben.“ Auch rechtlich kann es Probleme geben, wenn man Tiny-Häuser ohne Baugenehmigung aufstellen möchte, wo es einem gerade gefällt. „Tiny-House ist eine Bewegung, die sich nicht an der Gesetzeslage, sondern daran orientiert, was die Gesellschaft braucht“, sagt der Architekt. Beispiele, in denen Mitstreiter Mini-Häuser auf eigenen Grundstücken aufstellten, kennt er aus ganz Deutschland.
Syliva Dreyer wollte nicht in der Großstadt bleiben. „Ich hatte einen Vollzeit-Job und arbeitete nur, um mir meine Eigentumswohnung leisten zu können“, erzählt sie. Die hat sie inzwischen verkauft, sich statt dessen ihr Lärchenholz-Mini-Haus nach Maß von einer Berliner Firma bauen lassen und eine 200 Quadratmeter große Parzelle auf dem Campingplatz am Lottschesee bei Klosterfelde erworben.
Platz-Betreiberin Margitta Bayer will hier „eine autark lebende Gemeinschaft im Einklang mit der Natur aufbauen“, wie sie erzählt. Zum Konzept der 62-Jährigen gehört nicht nur das Wohnen auf engstem Raum, sondern auch ein ressourcenschonendes Leben. Eine Gemeinschaftsküche zum Beispiel - und eine Kompostiertoilette, die ohne Wasser auskommt.
„Das hier ist nichts für Perfektionisten, sondern für umweltbewusste Naturgenießer“, erklärt die frühere Betriebswirtin. Nicht mehr das Streben nach Luxus sei das erste Bedürfnis, sondern Zeit zu haben, um zu leben. Zu den Interessenten gehört auch Karin Glaser, die derzeit noch einen alten Wohnwagen auf dem Gelände bewohnt. Spätestens zu ihrem 70. Geburtstag Ende August will die aus Schleswig-Holstein stammende Wahl-Brandenburgerin ein Tiny-House in Leichtbauweise beziehen.
Für Glaser ist es eine preisgünstige, moderne und vor allem mobile Alternative. „Ein Vorteil dieser Häuser ist, dass sie mit einer Breite von 2,50 Metern und einer Länge von höchstens zehn Metern auf Anhängern transportiert werden können“, sagt sie. Wenn ihr Umgebung oder Nachbarn nicht mehr passten, könnte sie einfach weiter ziehen.
„Man lebt einfach viel entspannter“, resümiert Dreyer nach den ersten Wochen im „Tiny-House“. Für Strom hat sie eine Solarzelle auf dem Dach, zum Heizen nutzt sie Gas. Derzeit hat die Aussteigerin einen 400-Euro-Job als Assistentin der Campingplatz-Besitzerin. Angst vor Altersarmut aufgrund einer geringen Rente plage sie mit dem Mini-Haus nun nicht mehr, betont sie.