Ich darf, Du nicht Wenn Wohnungseigentümer in Streit geraten
Berlin (dpa/tmn) - Rote Fenster im Schlafzimmer, eine grüne Wohnungstür, ein neuer Heizkörper im Bad - ihre Wohnung können Eigentümer so gestalten, wie sie wollen. Das zumindest denken die meisten Käufer.
Doch weit gefehlt: Für viele Maßnahmen brauchen sie eine ausdrückliche Erlaubnis. „Eigentümer erfahren immer da ihre Grenzen, wo sie die Rechte der anderen Eigentümer berühren“, sagt Gerold Happ vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland. Und diese Grenzen sind oft enger, als mancher vor dem Kauf gedacht hat.
So beschäftigte sich zum Beispiel das Landgericht Koblenz mit der Frage: Wer darf das Fenster im gemeinschaftlich genutzten Hausflur zum Lüften öffnen? In einer Eigentümerversammlung war mehrheitlich entschieden worden, dass das nur dem Hausmeister und dessen Stellvertretern erlaubt ist. Einer der Eigentümer fühlte sich in seinen Rechten beschnitten und zog erfolgreich vor Gericht. Durch den Beschluss seien die Eigentümer vom Gebrauch des Fensters ausgeschlossen worden, so das Gericht. Und das sei mit einem einfachen Mehrheitsbeschluss nicht möglich (Az.: 2 S 15/16).
Solche Konflikte entwickeln sich immer wieder auf Eigentümerversammlungen. Denn bei diesen Veranstaltungen prallen oft die unterschiedlichsten Vorstellungen der einzelnen Eigentümer aufeinander. „Viele gehen mit falschen Vorstellungen ins Eigentum“, sagt Gabriele Heinrich vom Verein Wohnen im Eigentum in Bonn. „Manche machen nach dem Kauf weiter, als seien sie Mieter, andere wollen sich in Eigentümerversammlungen unbedingt durchsetzen.“
„Manchen Eigentümern reißt der Geduldsfaden recht schnell“, hat auch Jan-Hendrik Schmidt beobachtet. „Schließlich ist eine Eigentümergemeinschaft eine Zwangsverbindung“, erklärt der Rechtsanwalt aus Hamburg. Bei den Debatten spielen persönliche Befindlichkeiten oft eine Rolle. Hinzu kommt: „Eigentümer gehen oft anders mit dem Haus um, als Mieter es tun“, sagt Happ. Und deshalb müssen immer wieder Gerichte entscheiden.
Häufiger Streitpunkt: Wie darf ein einzelner Eigentümer mit dem Gemeinschaftseigentum umgehen? Wo hört das Sondereigentum überhaupt auf, und wo beginnt das Gemeinschaftseigentum? „Die Tür zu Ihrer Wohnung gehört zum Beispiel zum Gemeinschaftseigentum“, erklärt Schmidt. „Theoretisch müssen Sie deshalb vor jedem Anstrich der Innenseite die Erlaubnis der anderen Eigentümer einholen.“
Und daraus ergibt sich dann fast schon zwangsläufig: Plakate an der Außenseite der Wohnungstür aufzuhängen, geht nicht. Und zwar schon aus Rücksichtnahme gegenüber den anderen Eigentümern, befand das Amtsgericht Hamburg (Az.: 102 d 29/11). Nach Ansicht der Richter ist das Plakatieren von Türen in den Hausfluren sowie der Kellerflure verboten, soweit die betreffenden Bilder persönliche weltanschauliche, politische, philosophische, religiöse oder sexuelle Botschaften transportieren.
Doch auch innerhalb ihrer Wohnung können Eigentümer nicht immer machen, was sie wollen. „Die Fenster zum Beispiel gehören zum Gemeinschaftseigentum“, erklärt Heinrich. „Auch wenn das in vielen Teilungserklärungen anders geregelt ist.“ Die Heizkörper ihrer Wohnung können Eigentümer ebenfalls nicht nach Belieben austauschen. Zwar gehören Heizkörper zum Sondereigentum. Allerdings ist jeder einzelne Heizkörper ein Teil eines Heizungssystems. Durch Veränderungen können negative Auswirkungen auf die Anlage entstehen.
Auch bei der Fassadengestaltung sind Eigentümer oft geteilter Meinung. Stellt sich die Frage: Ist ein neuer Anstrich eine bauliche Veränderung oder nicht? Die Antwort hat durchaus Einfluss darauf, welche Wege die Entscheidung über die neue Farbe nehmen muss. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamburg jedenfalls reicht ein einfacher Mehrheitsbeschluss nicht aus, wenn der Neuanstrich den architektonischen Charakter der Fassade insgesamt nachhaltig verändert. In dem Fall waren die Balkone und Pfeiler des Hauses orange gestrichen worden (Az.: 2 Wx 103/04). Für eine solche bauliche Veränderung sei die Zustimmung aller Wohnungseigentümer nötig.
Und selbst die Frage, ob die Haustüren nachts abgeschlossen werden dürfen, musste ein Gericht klären. Das Landgericht Frankfurt/Main befand: Darf sie nicht (Az.: 2-13 S 127/12). Denn das würde die Bewohner gefährden. Sie könnten das Haus im Falle eines Brandes nur verlassen, wenn sie einen Schlüssel dabei haben.
Und dann ist da natürlich noch der Schutz der Privatsphäre, der auch in Eigentümergemeinschaften immer wieder zum Zankapfel wird. Einfach in eine Wohnung zu schauen, ist jedenfalls nicht erlaubt, entschied das Oberlandesgericht München (Az.: 32 Wx 65/05). Denn das verletzt Bewohner in ihrem Eigentumsrecht. In dem Fall hatte der Enkel einer anderen Eigentümerin von einer Grünfläche aus mehrfach in die Wohnung der Kläger geschaut und dabei Grimassen geschnitten. Eigentümer sind in einem solchen Fall für ihren Besuch verantwortlich.
Um sich gut vorzubereiten, sollten Käufer einer Wohnung nicht nur den Kaufvertrag studieren. „Die Teilungserklärung ist viel wichtiger“, erklärt Schmidt. Hier finden sich alle Regelungen zur Nutzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum, eventuelle Sondernutzungsrechte von Gartenflächen, aber auch Hinweise auf Pflichten und Zuständigkeiten.
Noch besser ist es, auch einen Blick in die Beschlusssammlung und wenn möglich die Protokolle der Eigentümerversammlungen zu werfen. „Dann können Sie in der Regel auch ein ganz gutes Bild über die Stimmung in der Eigentümergemeinschaft bekommen“, sagt Schmidt.
Literatur:
Volker Bielefeld: „Der Wohnungseigentümer - Ratgeber zum Wohnungseigentum“, Haus & Grund Deutschland 2011, 9. Auflage, 994 Seiten, 38,50 Euro, ISBN 978-3-939787-57-0.
Annette Schaller u.a.: „Handbuch Eigentumswohnung - Kauf, Pflege, Verwaltung“, Stiftung Warentest 2014, 240 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 978-3-86851-406-3.
Harald Haakshorst u.a.: „Eigentumswohnung: Auswahl und Kauf“, Verbraucherzentrale NRW 2016, 192 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-86336-059-7.