Darum ist die Bundestagswahl für Wuppertal so wichtig
Die Kräfteverhältnisse im Land haben sich gedreht. Wuppertals CDU ist im Landtag nicht mehr vertreten, die SPD-Abgeordneten sind in der Opposition, und in den Bundestag zieht auf jeden Fall ein Novize ein.
Wuppertal. Um die Bedeutung der Bundestagswahl am 24. September für Wuppertal zu beschreiben, ist ein Blick in die Vergangenheit hilfreich. In den 90er-Jahren war die Stadt in Bonn beziehungsweise in Berlin mit Willfried Penner und Rudolf Dreßler von der SPD vertreten. Der ehemalige CDU-Generalsekretär und Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (1950-2016) hatte seinen Wahlkreis ebenso in der Stadt wie der langjährige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP, 1927-2016). Wuppertal war eine der Städte in Deutschland mit den meisten politischen Schwergewichten.
Diese Tradition setzten zuletzt der im Dezember vergangenen Jahres gestorbene Hintze und für die SPD Manfred Zöllmer fort. Der Sozialdemokrat bewirbt sich nach 15 Jahren in Berlin nicht mehr um ein Mandat. Außerdem vertritt Jürgen Hardt (CDU) seine Heimatstadt in Berlin. Seinen Wahlkreis hat der Regierungsbeauftragte für transatlantische Beziehung allerdings in Solingen und Remscheid. In Wuppertal kann er lediglich von den Ronsdorfern und Cronenbergern gewählt werden.
Abgesehen davon, dass Hardt im Wahlkreis Solingen I, Wuppertal II wieder an den Start geht, bedeutet der 24. September dennoch eine Zäsur. Wie auch immer die Wahl ausgeht, wird der Kreis Wuppertal I von einem Neuling in Berlin vertreten. Es sei denn, die FDP erreicht elf Prozent der Stimmen, dann wäre auch Manfred Todtenhausen dabei. Und der war von Mai 2012 bis Oktober 2013 bereits Abgeordneter in Berlin.
Aber auch dann wird Wuppertals Gewicht in Berlin zunächst sinken. Denn weder der SPD-Kandidat im Wahlkreis I, Helge Lindh, noch Rainer Spiecker, der als Kreisvorsitzender der CDU und ehemaliger Landtagsabgeordneter für seine Partei ins Rennen geht, haben nennenswerte Berlin-Erfahrung. Zwar gelten beide als in ihren Parteien bestens vernetzt, aber was das in Berlin zählt, sehen die Oberbürgermeister aus NRW, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und anderen wirtschaftlich schwächeren Bundesländern, die seit Jahren um eine bessere finanzielle Ausstattung von Städten und Gemeinden kämpfen. Doch es ist andererseits nicht zuletzt der Bekanntheit und dem Einfluss von Peter Hintze und Manfred Zöllmer im Bundestag zu verdanken, dass der Bund sich mit fast 30 Millionen Euro an den Sanierungskosten für das Schauspielhaus zugunsten eines Pina-Bausch-Zentrums beteiligen wird. Bis solche Wünsche Früchte tragen, müssen sich Abgeordnete schon einen Ruf erarbeitet haben. Das sagt nichts über die Qualität der Kandidaten aus, gilt aber im Berliner Bundestag ebenso wie im Düsseldorfer Landtag.
Dort ist mit der Wahl im Mai eine ungewöhnliche und für Wuppertal schwierige Situation eingetreten. Während die SPD-Kandidaten Dietmar Bell, Andreas Bialas und Joses Neumann ihre Wahlkreise zwar nicht mehr so deutlich, aber gewonnen haben, ist deren Genossin Hannelore Kraft als Ministerpräsidentin abgewählt worden. Die Sozialdemokraten sind nicht mehr die stärkste Kraft an Wupper, Rhein und Ruhr. Deshalb heißt der Ministerpräsident nun Armin Laschet (CDU). Da es keinem Christdemokraten gelungen ist, über die Parteiliste in den Landtag einzuziehen, ist Wuppertals CDU in Düsseldorf nicht mehr vertreten. CDU-Chef Rainer Spiecker war im Landtag, hat sich aber für die Bundestagskandidatur entschieden.
Für die Hauptstadt des Bergischen Landes stellt sich nun die Frage, wie ihre politische Einflussnahme nach der Wahl am 24. September ausgestaltet sein kann. Dabei wird es darauf ankommen, wie die neue Bundesregierung aussieht. Kommt es zur Fortsetzung der Großen Koalition, wäre die Stadt womöglich mit Jürgen Hardt, Helge Lindh und Rainer Spiecker vertreten. Dies aber nur für den Fall, dass Spiecker über die Liste (Platz 32 in NRW) einzieht, nachdem er den Wahlkreis gegen Lindh nicht gewonnen hat. Das wäre keine Überraschung. Der Wahlkreis Wuppertal II hat eine gewisse sozialdemokratische Tradition. Auch Hintze ist es nie gelungen, über Wuppertal direkt ins Parlament einzuziehen. Sollte Spiecker es nicht über die Liste in den Bundestag schaffen, wären voraussichtlich Lindh und Hardt die Interessenvertreter Wuppertals.
Die Regierungskonstellation Schwarz-Gelb könnte vier Wuppertaler Abgeordnete bergen. Neben Hardt, Lindh und Spiecker wäre je nach Ergebnis der FDP auch Manfred Todtenhausen (Platz 16 auf der NRW-Liste) zurück in Berlin. Seine Parteifreundin Karin van der Most im Wahlkreis Solingen I, Wuppertal II hat auf Platz 48 keine Chance, über die Liste der FDP in den Bundestag einzuziehen. Die Kandidatinnen der Grünen Sylvia Meyer (Wuppertal I) und Ilka Brehmer (Solingen I, Wuppertal II) haben keine aussichtsreichen Listenplätze und mithin kaum Chancen, es in den Bundestag zu schaffen. Das gilt auch für die Vertreter der Linken, der Partei und die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands, MLPD.