Der ewige Kindergarten: Dschungelcamp geht in Runde neun
Neues Jahr, neues Dschungelcamp: RTL lässt mal wieder Promis bei Reis und Regen darben. Die TV-Dauerüberwachung ist so erfolgreich wie kaum eine andere Show in Deutschland. Wie lange geht das noch so? Wenn der Sender die richtigen Kandidaten findet, wohl noch lange.
Berlin. Gebrüll, Tränen, wütende Beschuldigungen: Angelina Heger dürfte wissen, wie chaotisch eine Gruppe von Menschen zusammenleben kann. Die 22-Jährige hat mal ein freiwilliges soziales Jahr in einem Berliner Kindergarten gemacht. Nun zieht die ehemalige Finalistin der Flirt-Show „Der Bachelor“ ins RTL-Dschungelcamp. An diesem Freitag (21.15 Uhr) beginnt die neunte Staffel der Show. Und ein wenig Gebrüll, ein paar Tränen im australischen Regenwald kämen dem Sender wohl nicht ganz ungelegen. Zickereien bringen Quote, soviel ist bekannt.
„Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ (IBES) ist die vielleicht letzte große TV-Show des deutschen Fernsehens. Die einst beliebten Castingformate bringen längst nicht mehr die Quoten von früher, Klassiker wie „Wetten, dass..?“ sind gleich ganz von der Mattscheibe verschwunden. Nach Zuschauerzahlen muss sich der Fernsehdschungel nur noch vor dem „Tatort“ und großen Sportereignissen wie der Fußball-WM fürchten. Die vergangene Staffel schauten im Schnitt 7,95 Millionen Zuschauer - zehn Jahre nach der Premiere der Show.
Den Reiz machen wohl eher nicht die Dschungelprüfungen aus, bei denen mit wenigen Abwandlungen Jahr für Jahr Ekligkeiten verspeist oder Sterne aus dunklen Löchern gefischt werden müssen. Zentral ist aus Sicht der Hamburger Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher die Auswahl der Kandidaten, die sich um das Lagerfeuer scharen: „Immer wieder neu gestaltet sich das Sozialexperiment des Zusammenlebens von B-Z Prominenten unter erschwerten Bedingungen“, sagt Bleicher. „Hier zeigt sich die Abhängigkeit des Formats von dem Casting geeigneter Kandidaten und der Qualität ihrer Selbstinszenierung.“
Auf die tatsächliche Prominenz der Teilnehmer kommt es daher im Grunde gar nicht an - Hauptsache, es gibt Stoff für die bissigen Kommentare des Moderatoren-Duos Sonja Zietlow (46) und Daniel Hartwich (36). Oder wer kannte vorher wirklich Aurelio Savina (37)? Bei dem Model und ehemaligem „Bachelorette“-Kandidaten hoffen die Macher wohl auf dessen Testosteron-Momente. Im RTL-Interview ließ er jedenfalls schon verlauten, dass er sich auch eine Affäre im Camp vorstellen könne. Und dass er sich zur Vorbereitung „mental“, viele „Gedanken über das Dschungelcamp“ gemacht habe.
Hinzu kommen gestandene Show-Gesichter wie die ehemalige „Glücksrad“-Fee Maren Gilzer (54) oder der „Der Preis ist heiß“-Sidekick und Teleshopping-Allstar Walter Freiwald (60), der wohl auch schon ahnt, welche Rolle ihm RTL zugedacht hat: „Vielleicht werde ich der weise Vater des Dschungelcamps oder der Pfarrer werden.“ „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“-Schauspieler Jörn Schlönvoigt (28) wäre hingegen die perfekte Besetzung für den Posten des schelmischen Sympathieträgers, der einst Moderator Peer Kusmagk (39) 2011 zum Dschungelkönig gemacht hatte.
„Im Unterschied zu den gescheiterten Shows der vergangenen Jahre mischt IBES Erfolgselemente unterschiedlicher Genres“, erklärt Medienwissenschaftlerin Bleicher. Das Format kombiniere eine exotische Umgebung wie in einem Tarzanfilm mit der Konfrontation aus Talkshows und Gags aus Comedyformaten.
RTL hofft, dass das Erfolgsrezept nun wieder für Spitzenquoten sorgt. „Die jährliche Ausstrahlung tut dem Format gut, hält es frisch und baut immer wieder große Vorfreude auf, die sich dann in zwei Wochen entlädt“, sagt Markus Küttner, Bereichsleiter für Comedy und Real Life beim Kölner Sender. Das Schicksal von „Wetten, dass..?“ und Co. scheint sich aber auch bei den Machern des scheinbar unantastbaren Dschungelcamps herumgesprochen zu haben. „Noch sehen wir keine Ermüdungserscheinungen“, sagt Küttner. „Aber man kann auch bei IBES nicht vorhersagen, ob das Interesse plötzlich nachlässt.“