Olympia Beach-Volleyball: Hinein in das historische Vergnügen
An der Copacabana ist olympischer Sport anders. Dort schärft sich der Blick für Rio de Janeiro
Rio de Janeiro. An der Copacabana ist alles anders. Da ist Lebensgefühl, da sind schöne Menschen, da scheint die Sonne, da ist Musik, da schärft sich der Blick für Rio de Janeiro, wie es wirklich ist. Zumindest für die, die es sich leisten können. Dieser Strand braucht kein Olympia. Und wenn, dann muss es ein anderes Olympia sein. Aber das ist Beach-Volleyball, Hochleistungssport auf Sand, und mittendrin zwei deutsche Damen, die im Halbfinale des olympischen Turniers auf die favorisierten Brasilianerinnen treffen. Und dabei trotzdem alles andere als chancenlos sind.
Erstmals steht ein europäisches Team im Halbfinale eines olympischen Turniers. Den beiden Hamburgerinnen ist das noch gar nicht wirklich bewusst, weil sie nur konzentriert auf ihr Spiel sind. Im Viertelfinale haben die Kanadierinnen nicht die Spur einer Chance. Vermutlich ist es das beste Spiel von Laura Ludwig und Kira Walkenhorst in Brasilien bisher. „Ich habe das noch nicht wirklich realisiert, weil ich immer noch im Tunnel bin“, sagt Kira Walkenhorst nach dem Spiel. Aber da müssen die beiden auch schnell wieder hinein. Am Dienstag wartet ein ganz großes Kaliber auf dem heißen Sand der Copacabana.
Am Dienstag werden mehr als 10 000 Fans gegen das deutsche Nationalteam schreien, es wird etwas ganz Besonderes werden. Die beiden versuchen sich darauf einzustellen. Es wird einen Matchplan geben, wie immer, der die Stärken und Schwächen des Gegners wieder genauestens analysiert. Hinter dem Erfolg der beiden Hamburgerinnen steht sehr viel Sportwissenschaft. Das „schwierigste Spiel“ ist mit dem 2:0 im Viertelfinale gegen Kanada gewonnen, „jetzt dürfen wir noch zwei Spiele machen mit der Chance, eine Medaille zu holen“, sagt Kira Walkenhorst. Es wäre die erste für deutsche Beach-Volleyballerinnen. Laura Ludwig sagt selbstbewusst: „Wir haben in den vergangenen Monaten bewiesen, dass wir es können.“
Laura Ludwig ist Chef im Ring, sie ist Abwehrspielerin, was sie gegen die Kanadierinnen an unmöglichen Bällen holt, ist unglaublich. Viermalige Europameisterin ist sie, sechs deutsche Meisterurkunden hängen in Hamburg an der Wand, aber Olympia, das ist Weltbühne. Das ist nochmal ein anderes Kaliber. Und es sind nicht nur die Gegnerinnen, es sind die Fans, erstmals wird am Strand eine Veranstaltung mit hundertprozentiger Sicherheit ausverkauft sein.
30 Jahre ist sie jung, keine hat mehr Erfahrung als sie. Alles, was sie macht, hat Sinn. Als ihre langjährige Partnerin Sara Goller ihre Laufbahn beendet, hat sie die Nachfolgerin lange im Blick. Kira Walkenhorst gilt auf Sand als eine der besten Blockerinnen der Welt. Der Mann hinter dem Olympiaprojekt ist Jürgen Wagner, der 2012 in London Julius Brink und Jonas Reckermann zu Olympiasiegern machte. „90 Prozent von dem, was wir heute spielen, haben wir seit vier Jahren im Kopf“, sagt der Trainer.
Die beiden vertrauen ihm blind, seinem Matchplan, seiner Grundtaktik und seinen Spielbeobachtungen. Der Rest auf Sand ist Eigeninitiative. Und davon haben die beiden Damen jede Menge. Laura Ludwig besitzt die Gabe, Spielsituationen vorherzusehen, zu antizipieren. Das kann man nur perfekt mit ihrer enormen Erfahrung. „Wir versuchen immer, in der Spielhandlung zu bleiben“, sagt Laura Ludwig. Das könnte die Wissenschaft nicht besser sagen.
Auf der Welttour haben sie in diesem Jahr vier Turniere gewonnen, dazu der Titel bei der Europameisterschaft, es hat sich alles gefügt in der olympischen Saison. Der Trainer sagt: „Ich genieße Leistung. Und ich genieße, dass wir es in Brasilien auf den Punkt bringen.“ Laura Ludwig und Kira Walkenhorst haben von diesem Trainer viel Neues gelernt. Sie haben Beach-Volleyball neu definiert, sie haben anders Volleyball spielen gelernt. „Kopfarbeit vor allem“, sagt Laura Ludwig. Und es ist nicht nur der Trainer, es sind die Spielanalysten dahinter, die Techniktrainerin, der Mentaltrainer. Anders geht es nicht mehr, wenn man Medaillen bei Olympia gewinnen will. Als sie nach Rio kamen, war die Arbeit gemacht. „Wir müssen in Brasilien nur noch richtig steuern“, sagt Laura Ludwig.
Andere laufen im Hochleistungssport seit Jahren der Musik hinterher, die deutschen Beach-Volleyballerinnen spielen sie. Und das Konzert an der Copacabana dauert an.