Gibt es Sanktionen? Die Wagenburg steht: Russland gibt Doping-System nicht zu

Moskau (dpa) - In eine schicke Sportkleidung will Russland seine Mannschaft für die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang stecken. Der breite Schal in den Landesfarben Weiß, Blau und Rot ist ein Hingucker.

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Doch ob die in Moskau vorgestellte Kollektion im Februar in Südkorea überhaupt zum Einsatz kommt, ist fraglich. Am Dienstag will das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Lausanne die Konsequenzen aus dem russischen Doping-Skandal ziehen.

Die Bandbreite möglicher Sanktionen reicht bis zu einem Ausschluss Russlands von den Spielen. Schon jetzt hat eine IOC-Kommission mehr als 20 russische Wintersportler lebenslang für Olympia gesperrt wegen angeblicher Manipulationen an Dopingproben bei den Heimspielen 2014 in Sotschi. Russland könnte Strafen abwenden - mit dem Eingeständnis, dass es in den vergangenen Jahren ein organisiertes Dopingsystem betrieben hat. Doch das will die stolze Sportnation nicht zugeben.

Chefermittler Richard McLaren hält nichts von symbolischen Strafen für Russland durch das IOC. Der mögliche Ausschluss der russischen Mannschaft von der Eröffnungs- oder Abschlussfeier in Pyeongchang ist für den Kanadier „keine adäquate Strafe für eine Tat, die in der Vergangenheit verübt wurde“, sagte der anerkannte Rechtsprofessor in einem am Sonntag veröffentlichten Interview von „Spiegel online“. Gleiches gelte, „falls man die russische Flagge oder die Nationalhymne in Südkorea verbietet“, meinte McLaren und forderte: „Man sollte die Verantwortlichen finden und sanktionieren.“

Er könne vor jedem Gericht bezeugen, dass in Russland nicht gedopt werde, sagte Sport-Multifunktionär Witali Mutko am Freitag bei der Gruppenauslosung zur Fußball-WM 2018, die nur kurz für Ablenkung von der Affäre um systematisches Doping sorgte. „In Russland ist immer alles schlecht, und im Rest der Welt ist alles gut“, schimpfte er.

Dabei hat sich die Beweislage gegen Russland seit zweieinhalb Jahren verdichtet. In zwei Berichten für die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA wies Sonderermittler Richard McLaren ein ausgefeiltes russisches System nach, Doping zu verschleiern. Mehr als 1000 Athletinnen und Athleten sollen darin zwischen 2011 und 2016 verwickelt gewesen sein.

Dabei ging es auch um die Spiele in Sotschi, das Prestigeprojekt von Präsident Wladimir Putin, bei dem Russland um jeden Preis die Nationenwertung gewinnen wollte. Belastete Proben sollen in Sotschi trickreich ausgetauscht worden ein, wie Grigori Rodschenkow dem WADA-Ermittler steckte. Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors hatte eine Schlüsselrolle bei den verbotenen Leistungssteigerungen, nun ist er Kronzeuge der Anklage. Seine Notizen belasten die Führung bis hinauf zu Ex-Sportminister Mutko.

Doch Moskau sieht die Vorwürfe als anti-russische Kampagne westlicher Länder. Putin sagte unlängst, die USA wollten Unruhe schüren vor der russischen Präsidentenwahl im März 2018. Das Abstreiten folgt der Linie des Kremls in anderen Bereichen: Im Osten der Ukraine kämpfen keine russischen Soldaten, Russlands Luftwaffe trifft in Syrien keine Zivilisten. Das Staatliche Ermittlungskomitee Russlands erklärte die McLaren-Berichte für widerlegt. Es erließ Haftbefehl gegen den in die USA geflüchteten Rodschenkow. Er gilt in der Heimat als Verräter.

Mit dieser Wagenburg-Mentalität vergab Moskau aber auch die Chance auf eine Einigung. „Ein Skandal dieses Ausmaßes hätte vermieden werden können, wenn die Sportfunktionäre rechtzeitig auf die Warnsignale reagiert hätten“, schrieb die Zeitung „Wedomosti“.

Kritische Stimmen sind indes in der russischen Öffentlichkeit selten. „Die internationale Sportgemeinschaft kann eigentlich nicht anders handeln, weil sie auf beispiellose Frechheit und Dreistigkeit unserer Sportfunktionäre und ranghohen Staatsdiener stößt“, schrieb der oppositionsnahe Unternehmer German Knjasew auf Facebook.

Der Streit mit den Russen droht den sportlichen Wert der Wettkämpfe in Südkorea zu schmälern. Dürfen sie antreten, sind Proteste anderer Sportler gewiss. Dürfen sie nicht antreten, ist der Wettbewerb in vielen Sportarten verzerrt, in denen Russland traditionell stark ist: Skilanglauf und Biathlon, Eishockey, Eisschnelllauf und Kunstlaufen.

Das IOC hat schon bei den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro versucht, die Tür nicht zuzuschlagen. Die meisten russischen Sportler durften mit Erlaubnis der Weltfachverbände starten, nur die Leichtathleten blieben kollektiv außen vor. Auch das Paralympische Komitee hat Russland gesperrt.

Doch die Dopingbeweise sind seitdem noch drückender geworden. Moskau hofft nun auf ökonomische Einsicht beim IOC. „Wenn die Russen in Pyeongchang fehlen, sinkt die Attraktivität vieler olympischer Wettbewerbe und damit ihre TV-Einschaltquote“, warnte die Zeitung „Kommersant“. Sollte das IOC russischen Sportlern auferlegen, ohne eigene Flagge und Hymne anzutreten, dann würde Moskau die Spiele boykottieren. Auch auf einen Totalausschluss würde Russland wohl mit einer eigenen Absage reagieren.