Tokio 2020 zum zweiten Mal nach 1964 Olympia-Gastgeber
Buenos Aires (dpa) - Als IOC-Präsident Jacques Rogge Tokio als Ausrichter der Olympischen Spiele 2020 verkündet hatte, kannte der Jubel bei der japanischen Delegation keine Grenzen mehr. Die Mitglieder fielen sich jubelnd in die Arme und schwenkten begeistert Fahnen ihres Landes.
„Endlich kommen die Spiele nach Japan. Ich hatte mir ein bisschen Sorgen gemacht, aber diese Entscheidung wird Japan viel Hoffnung geben“, sagte Japans Premierminister Shinzo Abe, nachdem er sich ein paar Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte. Die japanische Hauptstadt setzte sich bei der geheimen Abstimmung auf der 125. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees in Buenos Aires mit 60:36 Stimmen gegen Istanbul durch und ist zum zweiten Mal nach 1964 Gastgeber Olympischer Spiele. „Glückwunsch an Tokio. Wir sind zuversichtlich, dass unsere Freunde ausgezeichnete Spiele ausrichten werden“, sagte IOC-Präsident Jacques Rogge nach der Unterzeichnung des Veranstaltungsvertrages.
Wie am Bosporus gab es auch in Madrid lange Gesichter. Die spanische Hauptstadt war mit ihrer Kandidatur bereits im ersten Durchgang in einer Stichwahl an Istanbul gescheitert. Zuvor hatten beide Städte mit 26 die gleiche Anzahl an Voten erhalten. „Das war eine Grundsatzentscheidung für Tradition und Stabilität und gegen den Aufbruch zu neuen Ufern“, kommentierte IOC-Vizepräsident Thomas Bach das Votum für Japans Kapitale.
Mit der Wahl der 35-Millionen-Metropole in Fernost entschieden sich die Olympier bei der Risiko-Wahl des Olympia-Gastgebers in sieben Jahren für politische Sicherheit. Istanbul scheiterte bereits zum fünften Mal mit seiner Bewerbung, Madrid ging zum dritten Mal leer aus. „Ich bin nicht überrascht und freue mich für Tokio“, sagte Claudia Bokel, Vorsitzende der Athletenkommission im IOC.
Mit einem leidenschaftlichen Appell auf der abschließenden Präsentation war es den Japanern gelungen, die Sicherheitsbedenken der Olympier für die Wahl der 35-Millionen-Metropole wegen des Atomunglücks in Fukushima auszuräumen. Tokios Gouverneur Naoki Inose kündigte unterdessen an, dass der olympische Fackellauf auch durch das betroffene Gebiet führen werde.
Tokio 2020 pries vor allem sein kompaktes Sportstättenkonzept in zwei Zonen. 85 Prozent der Wettkampfstätten liegen in einem Radius von nur acht Kilometern zum olympischen Dorf. Bewerbungschef Masato Mizuno versprach zudem die „höchsten TV-Einschaltquoten der Olympia-Geschichte“.
15 Arenen in und um die japanische Hauptstadt sind bereits vorhanden, elf sollen neu gebaut werden. Tokio will auf zehn temporäre Anlagen zurückgreifen. Das neue Olympiastadion soll auf der Anlage des Stadions von 1964 entstehen. Das IOC bescheinigt Tokio eine „kompakte Konzeption“ mit guter Verkehrsinfrastruktur.
Die anderen Kandidaten Madrid und Istanbul hatten die Bedenken an ihren Bewerbungen am Ende nicht zerstreuen können. Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan bemühte sich vergeblich, die Zweifel über die kritische innenpolitische Lage und die Nähe zum Bürgerkrieg im benachbarten Syrien vom Tisch zu wischen.
Sportstätten in Europa und Asien würden dem IOC neue Märkte erschließen, auch für künftige Generationen, sagte Istanbuls Bewerbungschef Hasan Arat. Doch die Strategie zog ebenso wenig wie das Konzept Madrids, mit einem Etat in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar eine Art Gegenentwurf zum olympischen Gigantismus zu präsentieren.
Premierminister Mariano Rajoy hatte sich bemüht, überzeugende Argumente gegen die spanische Wirtschaftskrise und eine Arbeitslosenquote von 26,3 Prozent zu finden. „80 Prozent der notwendigen Investitionen sind bereits getätigt. Wir können diese Spiele ohne jegliches Risiko für die olympische Bewegung abliefern“, proklamierte Rajoy, der Unterstützung von Kronprinz Felipe erhielt.
Nach der Niederlage gegen Tokio ist Istanbul ein großer Favorit auf die Ausrichtung der Halbfinals und des Endspiels der Fußball-EM 2020. Der Deutsche Fußball-Bund hatte bereits zuvor angekündigt, in dem nun eingetretenen Fall eine eigene Final-Bewerbung mit München als Spielort zugunsten der Türken zurückziehen zu wollen und sich nur um Gruppenspiele und ein K.o.-Duell zu bemühen.
Für eine eventuelle Bewerbung Münchens um die Winterspiele 2022 hat der Sieg Tokios praktisch keine Konsequenzen. „Ich gratuliere Tokio. Jetzt wissen wir, wo wir stehen. Nach der Landtagswahl in Bayern und der Bundestagswahl werden wir unsere Entscheidung bekanntgeben“, sagte Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, der Nachrichtenagentur dpa. Die nötigen Vorarbeiten für eine weitere Kandidatur laufen längst parallel.
Münchens Oberbürgermeister Christian Ude geht nach der Vergabe der Sommerspiele 2020 nach Asien davon aus, dass „eine Münchner Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2022 große Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss“ habe. Dies erklärte der SPD-Politiker in einer von der Stadt München verbreiteten Mitteilung.
Bereits seit Monaten finden regelmäßig Koordinierungssitzungen mit Vertretern der vier vorgesehenen Olympia-Orte München, Garmisch-Partenkirchen, Ruhpolding und Königssee und einem DOSB-Repräsentanten statt. Bis zum 14. November müssen die Kandidatur und eine erste Gebühr beim IOC eingereicht werden. Tokio hat all diese Hürden bereits erfolgreich gemeistert.