Fotos Die Bundesliga-Saison von A bis Z
A wie Alterspräsident: Mit 37 Jahren schwang sich Claudio Pizarro noch einmal zu einer großen Rückrunde auf. Mit zwölf Toren war der Italoperuaner Werder Bremens Rettungsanker. Einer, der einfach keinen Rost ansetzt. 190 Tore in 411 Bundesligaspielen für Bremen und Bayern München — kein ausländischer Spieler war länger in der Bundesliga aktiv, keiner schoss mehr Tore. Eine Institution.
B wie bockig: In der Schule musste man sich früher in die Ecke stellen, vorlaute Trainer werden auf die Tribüne geschickt. Der Leverkusener Roger Schmidt tat im Spiel gegen Borussia Dortmund etwas Unerhörtes: Er weigerte sich einfach und zitierte Schiedsrichter Felix Zwayer an die Seitenlinie. Nun weigerte sich wiederum Zwayer und schickte stattdessen beide Mannschaften vorübergehend in die Kabinen. Die millionenschwere Bundesliga kann auch Kindergarten-Niveau.
C wie Chapeau: Den historischen „Mia san vier“-Bayern gebührt die verdiente Anerkennung, aber die tiefste Verbeugung hat sich der SV Darmstadt 98 mit seinem Trainer Dirk Schuster verdient. Mit einem Kader, dessen Gesamt-Marktwert nur ein Drittel eines Thomas Müller ausmacht, wurde die Klasse nach zwei Aufstiegen in Folge gesichert. Und, kaum zu glauben, Sandro Wagner wurde doch noch ein Bundesliga-Star.
D wie Dreißig: Robert Lewandowski stand in dieser Saison 2656 Minuten auf dem Platz. Hätte der Bayern-Stürmer wie gegen Wolfsburg immerfort fünf Tore in neun Minuten erzielt, wären es 1475 statt nur 30 Treffer gewesen. Beim Torschützenkönig ist also noch Luft nach oben.
E wie Eigentore: Sieben Eigentore erzielte der VfB Stuttgart. Das ist ein Bundesliga-Rekord, der eines Absteigers würdig ist. Das schönste Eigentor der Saison kassierte aber mal wieder Gladbachs Torhüter Yann Sommer. Im vergangenen Jahr lupfte Christoph Kramer in Dortmund den Ball aus 45 Metern über Sommer ins eigene Netz, diesmal spielten Havard Nordtveit und Martin Hinteregger auf Schalke einen blitzsauberen Doppelpass ins Gladbacher Tor.
F wie Freiheit: Uli Hoeneß wurde am 29. Februar aus der Haft entlassen. Zwei Tage später ging er ins Stadion — und sah die erste Heimniederlage der Bayern, 1: 2 gegen Mainz. Der wegen Steuerhinterziehung verurteilte Ex-Präsident hat es wohl schnell verkraftet, es blieb schließlich die einzige.
G wie Gentrifizierung: Den Fachbegriff für städtischen Strukturwandel lernt nun auch Hertha BSC fürchten, denn von 2017 an soll sich die Miete des Olympiastadions von jährlich knapp vier auf 7,5 Millionen Euro fast verdoppeln. Der Verein erwägt, ein neues, reines Fußballstadion zu bauen. Da kommt die überraschend erstrittene Europapokal-Teilnahme sicher nicht ungelegen. Die Tendenz ist allerdings bedenklich: Nach Platz drei in der Hinrunde sammelte Hertha danach nur noch 18 Punkte — wie der VfB Stuttgart.
H wie historisch: Kulturrevolution im Fußball. Die Senegalesin Fatma Samba Diouf Samoura (53) ist die neue Fifa-Generalsekretärin. Erstmals eine Frau, eine Afrikanerin, eine Diplomatin, die für die Vereinten Nationen seit 20 Jahren in verschiedenen Krisenregionen tätig ist, soll nun die Krisenregion Weltfußball in den Griff bekommen. Das wäre doch auch ein schönes Modell für den deutschen Fußball.
I wie Ikone: Was bleibt von Pep Guardiola, der vor drei Jahren in München wie ein Messias empfangen wurde, der drei Meistertitel in Folge gewann und drei Champions-League-Halbfinals in Folge verlor? Ottmar Hitzfeld und Jupp Heynckes waren erfolgreicher und beliebter, das lustigere Kauderwelsch sprach Giovanni Trapattoni, aber niemand schleuderte derart blitzartig taktische Anweisungen übers Spielfeld wie die immer gut angezogene katalanische Stil-Ikone. Seine Spieler haben immerhin so viel verstanden, dass der Abstand zum Rest der Liga eher gewachsen als geschrumpft ist.
J wie Jagdfieber: Der Boulevard hat in dieser Saison Max Kruse nach eher belanglosen Eskapaden, zum Beispiel einem im Taxi vergessenen Pokergewinn, sturmreif geschlagzeilt. Bundestrainer Jogi Löw, dem Lukas Podolskis Ohrfeige für Kapitän Michael Ballack einst nur ein leichter Tadel wert war, strich den Wolfsburger Profi schließlich aus dem Aufgebot der Nationalmannschaft. Der Verlust hält sich in Grenzen. Kruse spielt beim VfL ähnlich glücklos wie er in Berlin Taxi fährt.
K wie Kaugummi: In der Kulturgeschichte des Fußballs hat sich der Kaugummi in dieser Saison weit nach vorne gearbeitet. Leverkusens Rudi Völler pfeffert ihn in Wolfsburg demonstrativ auf den Boden, Kölns Jörg Schmadtke wirft ihn sogar in Richtung Hoffenheimer Bank. Solche Wutausbrüche scheinen ein Phänomen rheinischer Sportdirektoren zu sein. Und die Preise steigen: Völler kam noch straffrei davon, Schmadtkes Kaugummi hätte Sammlerwert, denn dank einer Geldstrafe des DFB kostete er 8000 Euro. Ein Fall fürs Dortmunder Fußball-Museum.
L wie Leisetreter: Der WDR plant nach der Komödie „Holger sacht nix“ eine Fortsetzung mit dem Titel „Henrikh sacht nix“. Gedreht wird an Originalschauplätzen in Dortmund, wo der Armenier Henrikh Mkhitaryan seit drei Jahren zwar alles in allem eher wenig redet, aber überaus mannschaftsdienlich Fußball spielt. Seine 20 Tor-Vorlagen waren in der abgelaufenen Saison mit weitem Abstand der beste Wert. Mkhitaryan ist deshalb neben Lewandowski unser Spieler des Jahres.
M wie Montag: Ab der Saison 2017/18 haben zum Ärger vieler Fans erstmals fünf Spiele am Montag einen festen Platz im Bundesliga-Kalender. Wegen der vermaledeiten Donnerstagspiele in der Europa League, sagt die DFL. Um die Gemüter zu besänftigen, schlagen wir vor, jedem Fußball-Wochentag eine eigene Hymne zu widmen. Freitags „Money for Nothing“ von Dire Straits, samstags „Money“ von Pink Floyd, sonntags „Money, Money“ aus dem Musicalfilm „Cabaret“ und montags „Money, Money, Money“ von Abba.
N wie Niedergangsachsen: Hannover 96 brachte es vor vier Jahren noch bis ins Viertelfinale der Europa League und stürzt nun in Liga zwei ab. Der VfL Wolfsburg, vom Vize-Meister und Pokalsieger zur größten Enttäuschung der Saison, galt noch vor wenigen Monaten als Bayern-Herausforderer. War wohl ein Missverständnis.
O wie Osten: Seit Energie Cottbus 2009 aus der Bundesliga abstieg, war kein Verein aus dem Osten mehr erstklassig — sieht man von der Westberliner Hertha ab. Jetzt braust also RB Leipzig aus der 2. Liga herauf, ein 2009 gegründetes Konstrukt der österreichischen Red Bull GmbH. Freude in Sachsen, Aufatmen im Kraichgau. Die von SAP-Gründer Dietmar Hopp geförderte TSG Hoffenheim ist für Traditionalisten nicht länger das roteste aller roten Tücher.
P wie Posttraumatische Kloppstörung: Neues psychologisches Krankheitsbild unter BVB-Anhängern. Trainer Thomas Tuchel spielte in seinem ersten Jahr mit Dortmund die zweitbeste Saison aller Zeiten (78 Punkte). Er sammelte auch mehr Punkte als Jürgen Klopp im Meisterjahr 2011 (75) und nur weniger als Klopp im Meisterjahr 2012 (81). Dennoch wurde Tuchel lediglich Vize-Meister— und erlitt überdies gegen Klopp die bitterste Saison-Niederlage. 3: 1 führte der BVB beim FC Liverpool im Viertelfinal-Rückspiel der Europa League, kassierte in den letzten 25 Minuten drei Tore und schied aus.
Q wie qualifiziert: Ein Verein, der sich zehn Mal in den vergangenen zwölf Jahren, zuletzt fünf Mal in Folge, für einen europäischen Wettbewerb qualifiziert hat, sollte normalerweise als erfolgreich gelten. Aber was ist auf Schalke schon normal?
R wie Retter: Als Julian Nagelsmann die TSG Hoffenheim nach dem 20. Spieltag übernahm, lag der Verein punktgleich mit Hannover 96 abgeschlagen am Tabellenende. Mit mutiger Offensivtaktik und einer Ausbeute von 23 Punkten aus 14 Spielen hat sich der mit 28 Jahren jüngste Bundesliga-Trainer aller Zeiten jetzt schon einen Namen gemacht.
S wie Schwindelgefühle: Noch ein zweiter Trainer-Debütant erfüllte mehr als sein Soll, aber André Schubert sorgte in Gladbach auch für leichte Schwindelgefühle. Auf jedes Hurra nach Heimspielen folgte in der Rückrunde in schöner Regelmäßigkeit ein Auswärts-Au-weh. Unterm Strich bleibt’s beim Hurra: Der Sprung von Platz 18 nach fünf Start-Pleiten auf Platz vier ist einzigartig, und mehr als 67 Tore hatte der Verein zuletzt vor 29 Jahren erzielt.
T wie Trauertrio: Mit dem VfB Stuttgart verlässt eines der Liga-Schwergewichte die große Bühne. Der dreifache Bundesliga-Meister steigt zum zweiten Mal nach 1975 ab. Kurios: Am selben Tag mussten sich auch die zweite Mannschaft des VfB und die Stuttgarter Kickers aus der 3. Liga verabschieden. Ein bitterer Tag für die Region.
U wie Unruhe: Gibt es überall, neuerdings nur beim 1. FC Köln nicht mehr. Wir machen uns ein bisschen Sorge um die ehemals zuverlässige Lieferung lustiger Geschichten aus dem Geißbockheim. Das rheinisch-wienerische Duett Jörg Schmadtke/Peter Stöger hat dem FC Stabilität verliehen. Nun steht der Club erstmals seit 24 Jahren in der oberen Tabellenhälfte, und man wundert sich nicht mal. Verkehrte Welt.
V wie Verlust: Mit Knut Kircher und Florian Meyer haben zwei der besten und beliebtesten Schiedsrichter die Altersgrenze von 47 Jahren erreicht. Ihre gelassene, souveräne Art wird in der oft ziemlich aufgeregten Liga fehlen.
W wie Wang Jianlin: Achtung, die Chinesen kommen. Wang Jianlin, der Gründer des Mischkonzerns Wanda Group, ist mit einem Privatvermögen von 24 Milliarden US-Dollar der reichste Mann Chinas und liebt Beteiligungen in aller Welt. Am 28. Mai schaut er sich voraussichtlich das Champions-League-Finale an, denn Wang besitzt auch 20 Prozent der Aktien von Atlético Madrid.
X wie Xi Jinping: Der Mann ist Staatspräsident der Volksrepublik China, liebt angeblich den Fußball und will nun sein Land in diesem Sport ganz nach vorne bringen. Das bedeutet in etwa, dass alle Säcke Reis gleichzeitig umfallen. Regierung und Unternehmen pumpen Milliarden in die zweitklassige Super League und in ein Netz von Fußballschulen. Es ist zweifellos nur eine Frage der Zeit, bis die kapitalkommunistische Mischrepublik die WM ausrichtet.
Y wie Yatai: Chinas Fußball-Begeisterung scheucht auch die Bundesliga auf. Jeder Club, der etwas auf sich hält, macht sich für mindestens einen chinesischen Sponsor aus der Mobilfunk-, Unterhaltungselektronik- oder Sonstwas-Branche hübsch. Und schickt seine Mannschaft auf Werbetour. Der VfL Wolfsburg zum Beispiel krönt seine grandios vergeigte Saison am Mittwoch mit einem PR-Spiel bei Changchun Yatai. Der Verein gehört der Yatai Group. Kennen Sie nicht? Das ist ein privates Unternehmen in der Provinz Jilin, das unter anderem Kohleminen betreibt, Zement und Medikamente herstellt, sowie Finanzdienstleistungen anbietet. Man könnte es einen Mischkonzern nennen.
Z wie Zitat der Saison: „Ganz einfach: zack, zack, zack.“ Bremens Stürmer Claudio Pizarro auf die Frage, wie er das gemacht hat mit seinen drei Toren beim 4: 1-Sieg in Leverkusen.