Borussia Mönchengladbach Dieter Hecking: „Ich bin nicht zutiefst deprimiert“
Borussia Mönchengladbach steckt in einer kleinen Krise. Die Ziele des Erstligisten sind in Gefahr. Der Trainer aber bleibt gelassen.
Mönchengladbach. Als Dieter Hecking im Dezember 2016 kam, war er Anker. Nicht weniger. Der davor in Wolfsburg nicht mehr glücklich gewesene Trainer sortierte den Gladbacher Kader nach abenteuerlichen Wochen mit Ex-Trainer André Schubert im Taktik-Chaos, setzte konsequent auf die Viererkette und half einer suc´henden Mannschaft mit einer Grundordnung. Er setzte bei den Führungsspielern an und schaffte mit ruhiger, aber bestimmter Hand eine väterliche Atmosphäre. Verbindlich und höflich, immer professionell und direkt. Das Ergebnis: Borussia Mönchengladbach wurde besser. Und war glücklich.
Mehr als ein Jahr später droht das Wohlgefühl zu kippen. Fünf Niederlagen aus sechs Spielen zuletzt haben den Kosmos aufgewühlt. Vier Spiele sind die Fohlen dabei ohne eigenen Treffer. Wer gesehen hat, mit welcher Laune Sportdirektor Max Eberl nach dem jüngsten 0:1 gegen Borussia Dortmund durch die Katakomben stapfte, ahnt, wie groß der Frust ist: „Ich weiß auch, dass der Druck jetzt immer größer wird“, sagte Eberl. Und man sah es ihm an.
Nichts als gute Ergebnisse müssen jetzt her: Gladbach hat den Anspruch, 2018/19 europäisch zu spielen, ist aber bei Platz zehn derzeit davon bedroht, in der Bedeutungslosigkeit des Mittelfelds stecken zu bleiben. Das ist für die Fans, die die europäischen Jahre in Champions- und Europa League so außergewöhnlich genossen haben und schon jetzt Entzugserscheinungen aufweisen, nur schwer erträglich.
Was ist passiert? Da wären die Verletzungen: Acht Spieler kommen auch jetzt nicht in Frage, darunter Stammspieler und Leistungsträger wie Ibrahima Traoré, Fabian Johnson, Oscar Wendt und vor allem Raffael, der auch morgen bei Hannover 96 wegen einer hartnäckigen Wadenverletzung fehlen wird. Die Erfahrung zeigt: Ohne Raffael ist Gladbachs Offensive stumpf, niemand weist annähernd die Abschlussqualität des Brasilianers nach. Selbst Nationalspieler Lars Stindl, der vor einigen Monaten noch ein guter Tipp für einen Platz im WM Kader von Bundestrainers Joachim Löw war, wartet seit 1075 Minuten auf einen Torerfolg.
Eine passable Ausrede für Hecking ist das alles nicht. Das hat der 53-Jährige, der 2015 als Pokalsieger in Wolfsburg noch zu Deutschlands Trainer des Jahres gewählt worden war, nicht nötig. Keine Schwäche zeigen. Nicht jetzt. Hecking bleibt verbindlich und angenehm, ätzt nicht rum, versucht Ruhe auszustrahlen. Eine Frage der Erfahrung. „Das Thema begleitet uns ständig. Das können wir seit Monaten nicht ändern, von daher gibt es auch kein Rumjammern von uns“, sagt er. Und gestern Vormittag hat er olympisches Biathlon beobachtet: „Die treffen dort auch nicht immer, obwohl sie vorher alles getroffen haben. Es gibt eben solche Phasen.“
Was man daraus lernen kann? „Ich bin weit davon entfernt, die Qualität unserer Offensivspieler in Frage zu stellen.“ Torschusstraining hat er angeordnet. Aber wichtig sei die Entscheidung auf dem Platz. „Vielleicht geht der Ball drei Mal abgefälscht über die Linie in Hannover. Dann wissen wir auch nicht, wie wir das gemacht haben.“ Fußball als Zufall? Heckings Bilanz, die Eberl in der Winterpause noch gelobt hatte, wird schlechter: 60 Punkte aus 40 Liga-Spielen mit dem Coach in Gladbach bedeuten eine Durchschnittsbilanz von 1,5 Punkten pro Spiel. Es ist kein Geheimnis, dass es im Fall einer Pleite in Hannover ungemütlich wird. Danach folgen das Heimspiel gegen Bremen und Partien in Leverkusen und gegen Hoffenheim. Dann sollte sich Gladbach noch in Schlagdistanz zu den Geldtöpfen halten. Ob dem Trainer das gelingt?
„Wichtig ist, dass wir die Leidenschaft und den Kampfgeist mit nach Hannover nehmen“, sagt Hecking. „Die Jungs wollen das jetzt schnell lösen.“ Die Mannschaft habe sich keinesfalls aufgegeben. Und Hecking selbst? Wie geht er mit dem Druck um? „Ich will mir mein Leben nicht dadurch vermiesen lassen, dass mal ein Ergebnis nicht da ist. Ich fühle mich gut“, sagt er selbstbewusst. Unabhängig. Aber: „Ich wünschte mir auch, dass wir mal wieder gewinnen.“