Hoeneß angespannt - Seehofer-Unterstützung

München (dpa) - Sein Verein strebt dem historischen Triple entgegen - und ausgerechnet jetzt durchlebt der angeschlagene Bayern-Präsident die schlimmste Zeit seines Lebens.

Als in der Steueraffäre Staatsanwaltschaft und Polizei vor anderthalb Monaten an der Haustür von Uli Hoeneß klingelten, „begann die Hölle für mich“, offenbarte der 61-Jährige der Wochenzeitung „Die Zeit“.

Die großen Siege seiner Fußballer und die kleinen Erfolge seiner Basketballer sorgten in diesen harten Wochen zumindest kurzzeitig für Ablenkung. Der ungewisse Ausgang der Aufsichtsratssitzung des deutschen Fußball-Rekordmeisters an diesem Montag beschäftigte Hoeneß tagelang. Selbst bei der 3:0-Gala der Münchner beim FC Barcelona im Halbfinal-Rückspiel der Champions League wirkte er sichtlich angespannt.

Viel wird über die Zukunft des Bayern-Granden gerätselt, sowohl im Verein als auch im Privaten. Die rechtliche Bewertung seiner Steuersünde steht noch aus, seine Lebensleistung als Manager und Präsident des FC Bayern ist unbestritten. Nach seinem verletzungsbedingten Rücktritt als Spieler 1979 hat Hoeneß aus dem verschuldeten FC Bayern in jahrzehntelangem Wirken eine Weltmarke mit Riesen-Umsätzen geformt. Statt unbeschwert und ausgelassen die Krönung seines Lebenswerks zu feiern, droht ihm jetzt eine strafrechtliche Verfolgung. So hatte sich Hoeneß die letzten Jahre als Vereinspatron nicht vorgestellt.

Vor der Aufsichtsratssitzung meldete sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zu Wort. „Es ist in meinen Augen vertretbar, wenn Uli Hoeneß bis zur vorläufigen Klärung der Angelegenheit durch die Staatsanwaltschaft als Präsident im Amt bleibt. Dafür hätte ich Verständnis“, sagte Seehofer der Online-Ausgabe der Münchner Abendzeitung. „Er muss nicht vorher zurücktreten, ehe die Behörden abschließend ermittelt haben. Dafür gibt es die Rechtsstaatlichkeit.“

Seehofer sagte weiter: „Ihn jetzt nicht vor Abschluss der Ermittlungen zum Rücktritt zu drängen, gebietet meiner persönlichen Auffassung nach der Respekt vor seinem Lebenswerk, das einzigartig ist.“

In dem „Zeit“-Interview betonte Hoeneß kürzlich, er sei „nach wie vor davon überzeugt, dass meine Selbstanzeige, in der ich reinen Tisch gemacht habe, wirksam ist“. Anzeichen vonseiten der Staatsanwaltschaft, dass dem so sein könnte, gab es bislang keine. Immerhin, seinen Verein konnte er Tage vor der Aufsichtsratssitzung an diesem Montag beruhigen. „Dieses Konto war ganz allein Uli Hoeneß“, sagte der Weltmeister von 1974. Es ist davon auszugehen, dass der omnipräsente Club-Patron alles dafür tun wird, jeglichen Schaden vom FC Bayern abzuwenden.

Schmerzhaft trifft den sozial so engagierten Hoeneß, dass sich die öffentliche Wahrnehmung seiner Person schlagwertig gewandelt hat. Ein „Vorbild a.D.“ sei Hoeneß nur noch, urteilte die „Süddeutsche Zeitung“ schon. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ befand: „Servus, Saubermann“. Und Hoeneß? Der langjährige Manager erlebte, wie „manche Freunde zu Verrätern“ wurden, und verspürte eine Situation, „wie sie kaum auszuhalten ist“. Als langjährige moralische Instanz war er nicht mehr zu halten - schließlich wusste er um den seit Jahren bestehenden Steuer-Makel. Sein Fall wird auch im politischen Wahlkampf längst genutzt.

Hoeneß hatte, so jedenfalls ließ er das durchblicken, vor allem das riskante Renditespiel an der Börse verführt. Als Börsenspekulant verspürte er „Kick“ und „pures Adrenalin“. Nun leidet er unter seinem Fehler, fragt sich, was er seiner Familie angetan hat. Den erfolgshungrigen Unternehmer selbst bringt das um den Genuss sportlicher Großtage: Sein FC Bayern schickt sich an, nach der noch frischen Meisterschaft in den Endspielen der Champions League gegen Borussia Dortmund (25. Mai) und des DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart (1. Juni) glorreiche Erfolge einzufahren. Und Hoeneß muss schauen, wie seine Steuer-Affäre ausgeht.

Die Sehnsucht auf den Titel in der Königsklasse ist riesig. Als Spieler wurde Hoeneß von 1974 bis 1976 dreimal Europapokalsieger der Landesmeister, als Manager feierte er 2001 den Sieg in der Champions League. Jetzt soll der wertvollste Titel im Vereins-Fußball auch in der Regentschaft des Präsidenten Hoeneß her, der im Herzen immer auch ein Stück Manager geblieben ist. Und zwar gegen die Dortmunder, die die Münchner in den vergangenen zwei Jahren geradezu gedemütigt hatten.

Genau dieses Finale gegen den nationalen Rivalen gab dem Fall noch mehr Brisanz. Schon vor dem Treffen mit seinen Kollegen vom Aufsichtsrat hatte sich Hoeneß klar positioniert. „Auf keinen Fall werde ich vor dem Finale der Champions League zurücktreten“, erklärte der Mr. Bayern München in der vergangenen Woche - und deutete damit zumindest Kompromissbereitschaft für einen Rückzug nach dem Endspiel in Wembley an.

Als Fußballer geschätzt, als Manager gepriesen - und als Präsident? Hoeneß werde weitaus aktiver sein, als er selbst das gewesen sei, hatte Franz Beckenbauer prophezeit, als sein Präsidenten-Nachfolger im November 2009 mit 99,3 Prozent der Stimmen inthronisiert wurde. Der Aufsichtsratschef Hoeneß war auch immer dabei im operativen Geschehen, ob bei der Verpflichtung von Sportvorstand Matthias Sammer oder des künftigen Coachs Pep Guardiola. Unabhängig von allen weiteren Entscheidungen: Hoeneß wird vermutlich auch künftig die Geschicke seines Clubs in irgendeiner Art und Weise mit beeinflussen - wenn auch vielleicht nur noch von außen.