Nach Happy End: Eintracht benötigt Frischzellenkur
Nürnberg (dpa) - Zur kleinen Aufstiegsparty in einem Frankfurter Club mussten sich die erleichterten Eintracht-Fußballer mitten in der Nacht regelrecht schleppen.
Auf der Heimfahrt hatten sie den verdienten Erfolg in den K.o.-Spielen um die millionenschwere Bundesligazugehörigkeit im Teambus gefeiert, nach der Ankunft in Frankfurt um drei Uhr morgens fiel bei der Truppe von Trainer Niko Kovac dann die ganze Last des erfolgreich gemeisterten Existenzkampfs ab. „Ende gut, alles gut“, resümierte der Kroate. „Ich bin sehr glücklich und kann das gar nicht in Worte fassen.“
Das erlösende 1:0 (0:0) beim 1. FC Nürnberg markierte nicht nur das Happy End einer verkorksten Spielzeit, sondern auch den Beginn der dringend nötigen Aufräumarbeiten. „Die Saison muss kritisch analysiert werden“, gab der scheidende Vorstandschef Heribert Bruchhagen seinem designierten Nachfolger Fredi Bobic mit auf den Weg.
Die Eintracht muss künftig einiges besser machen, um nicht wieder eine solche Zittersaison zu erleben. Nachwuchsarbeit und Transferpolitik sind nur zwei der Baustellen, auf denen der neue starke Mann im Vorstand gefordert ist.
Auch auf Kovac kommt viel Arbeit zu. Der frühere Bundesligaprofi war im Abstiegskampf der richtige Mann zur richtigen Zeit, weckte bei den zuvor in Lethargie verfallenen Spielern wieder Emotionen und Kampfgeist. Nun muss der 44-Jährige zeigen, dass er auch in der Lage ist, eine Mannschaft weiterzuentwickeln. Das Vertrauen der Vereinsführung, der Spieler und der Fans hat er dafür.
Im Moment der Rettung überwogen zunächst aber erst einmal die großen Gefühle. „Nach 13 Jahren Eintracht Frankfurt wäre es aus meiner Sicht fatal gewesen, wenn man einen Zweitligisten übergeben hätte. Es wäre auch ungerecht gewesen, denn dieser Verein ist völlig intakt“, stellte Bruchhagen fest.
„Wir hatten keine Lust auf 2. Liga“, sagte Stürmer Haris Seferovic, der die Eintracht mit seinem entscheidenden Tor (66. Minute) im Rückspiel zum Happy End schoss. „Das haben wir uns verdient. Wir haben gekämpft, bis es nicht mehr ging“, erzählte der Schweizer. Alexander Meier fasste zusammen: „Wir haben die Kurve gekriegt“.
Den Auswärtssieg widmeten die Frankfurter auch Marco Russ. Schon bevor die Mannschaft gewann, hatte der fehlende Ersatz-Kapitän einen noch viel wichtigeren Erfolg gefeiert. Der Verteidiger war am Montag an einem Tumor operiert worden, verfolgte das Match im Krankenbett und gratulierte den Teamkollegen noch in der Nacht. „Danke Jungs!!! Totgeglaubte leben länger!! Auf Euch!!!“, schrieb er bei Instagram. Via SMS hatte er Trainer Kovac und die Kollegen über die erfolgreiche OP informiert.
Ob der Abwehrchef den Neuanfang nach dem mit Mühe und Not vermiedenen Absturz in die Zweitklassigkeit mitgestalten kann, ist offen. Priorität hat seine vollständige Genesung. Klar ist dagegen, dass der Kader dringend aufgefrischt werden muss. Vor allem hinten rechts und in der Offensive klemmte es in der abgelaufenen Spielzeit bedenklich. „In den zwei Spielen hat die Mannschaft die Saison vergessen gemacht“, sagte Kovac.
Dass ausgerechnet der streitbare Seferovic nach fast einem halben Jahr ohne Torerfolg zum Retter wurde, sorgte bei Kovac sichtlich für Genugtuung. „Er ist ein Spieler, der polarisiert, mit dem ich persönlich - das ist jetzt ein hartes Wort - in den Krieg ziehe, er ist ein Krieger“, lobte der Coach den Schweizer Nationalspieler.
Die 180 Minuten gegen Nürnberg hatten auch Kovac stark zugesetzt. Er plädierte daher für die Abschaffung der Relegation. „Nervlich, was die Spieler, was die Trainer hier erleiden und ertragen, geht das schon ins Unermessliche“, sagte er. „Das ist grenzwertig.“ Der Wunsch, eine Spielzeit mal ganz ohne Zittern, Bangen und Hadern in Frankfurt zu erleben, war dabei nicht zu überhören.