Stuttgart mit Biss im Abstiegskampf
Stuttgart. Trainer Huub Stevens wollte am Ende keinen aus seiner Mannschaft hervorheben. Auch wenn ziemlich offensichtlich war, dass Christian Gentner, der Kapitän, der einzige, der von der Meistermannschaft 2007 noch übrig geblieben ist, bei diesem wahrscheinlich wichtigsten Spiel der Saison eine entscheidende Rolle eingenommen hat.
Gentner brachte nach dem Hamburger Führungstor von Gojko Kacar (12.) mit seinem Ausgleich zum 1:1 in der 27. Minute den VfB Stuttgart nicht nur ins Spiel zurück, Gentner ist auch derjenige, der in den größten Stresssituationen klaren Kopf behält, die richtigen Entscheidungen trifft und die Mannschaft unaufgeregt führt. Gentner sagte nach dem 2:1 (2:1) gegen den Hamburger SV: “Wir hätten aufgrund der Chancen im zweiten Durchgang viel höher gewinnen müssen, aber entscheidend ist für mich, dass wir endlich wieder in der Lage sind, Chancen herauszuarbeiten. Auch deswegen haben wir es jetzt in der eigenen Hand, den Klassenerhalt zu schaffen.„
Andere wie der Hamburger SV haben das nicht. Man fragte sich im zweiten Durchgang, was aus dieser Mannschaft geworden ist, in der ein Rafael van der Vaart, der große Regisseur vergangener Tage nur noch in der Lage ist, Freistöße zu schießen. Das Spiel läuft an ihm vorbei, er kann es nicht mehr gestalten, er kann den Aktionen nur noch hinterherlaufen.
Nationalspieler Heiko Westermann, der vor der Weltmeisterschaft in Brasilien allen Ernstes noch glaubte, eine Chance bei Joachim Löw zu haben, ist nichts geblieben vom Stellungsspiel, von der Handlungsschnelligkeit vergangener Tage. Sie wehren sich noch gegen den Abstieg, aber sie wissen eigentlich alle schon, dass sie verloren sind, dass es hohe Zeit ist für die Zweitklassigkeit eines Vereins, der der Bundesliga von Anfang an angehört. “Die Enttäuschung ist riesengroß„, sagte HSV-Trainer Bruno Labbadia nach seiner unglücklichen Rückkehr nach Stuttgart.
Huub Stevens lief im gleichen Moment zu großer Form auf. “In der letzten Saison war ich am Ende hundemüde, jetzt bin ich es absolut nicht.„ Nach dem lebenswichtigen Sieg rief er seine Spieler wieder in den Kreis auf dem Spielfeld, ballte die Faust und forderte den Sieg auch am 34. Spieltag bei Aufsteiger SC Paderborn, der nach dem unglücklichen 0:1 auf Schalke auf den letzten Tabellenplatz zurückfiel. Die Stuttgarter hatten letztmals am 17. Spieltag einen Nichtabstiegsplatz belegt. Christian Gentner: “Jetzt kommt es zum Endspiel, diese Ausgangssituation haben uns viele vor Wochen doch gar nicht mehr zugetraut. Vielleicht musste es wirklich so kommen, dass wir mit dem Rücken zur Wand stehen.„
Als Martin Harnik mit seinem neunten Saisontreffer das entscheidende 2:1 markierte (35.), lagen sich in Stuttgart 50.000 von 60.000 Menschen in den Armen. Das Spiel zerrte an den Nerven, aber selten, vielleicht niemals zuvor hat sich eine Stadt in dieser Weise hinter ihrer Mannschaft versammelt. Selten zuvor hat diese Mannschaft im Saison-Endspurt so viel Solidarität gespürt. Obwohl es doch nun wirklich wichtigere Dinge im Leben gibt als Fußball.