Achtelfinale in Gefahr - Höwedes räumt Defizite ein
Lissabon (dpa) - Erst druckste der Kapitän noch ein wenig herum. Doch dann legte Benedikt Höwedes bei der Ursachenforschung für nur scheinbar unerklärliche Leistungseinbrüche seine vornehme Zurückhaltung doch noch ab und stellte Ex-Trainer Jens Keller damit kein gutes Zeugnis aus.
Es fehle „nicht nur die geistige, auch die körperliche Frische“ in entscheidenden Phasen, gab der Fußball-Weltmeister nach dem bitteren 2:4 (1:1) des FC Schalke 04 im Champions-League-Spiel bei Sporting Lissabon zu. Ist zu wenig trainiert worden? „In den letzen Tagen nicht“, meinte Höwedes vielsagend. Und wurde dann noch deutlicher...
„Ich glaube schon, dass wir in der Vorbereitung ein wenig mehr hätten machen können. Da kriegen wir jetzt ein bisschen die Konsequenz, dass wir vielleicht nicht jedes Spiel über 90 Minuten gehen können in einer intensiven Phase“, monierte Höwedes. Diese physischen Defizite gelte es nach und nach auszumerzen, „dass wir wieder auf ein gutes Level kommen. Wir müssen im Winter ausgiebiger daran arbeiten, das wir alle fit sind.“
Allmählich ergibt sich ein immer klareres Bild, woran es bei den Revierkickern besonders hapert: Die vielen Muskelverletzungen dürften mindestens teilweise einer wohl eher schlampigen Saisonvorbereitung geschuldet sein. Und einigen Spielern mangelt es schlicht an der notwendigen Fitness, um den hohen Anforderungen in Bundesliga und Champions League dauerhaft gewachsen zu sein.
Auch Manager Horst Heldt hatte bereits nach dem 1:0 gegen Augsburg festgestellt, dass „einige nach 60, 70 Minuten die Hände auf die Knie gestützt haben“. Keller-Nachfolger Roberto Di Matteo hütete sich bisher davor, seinen Vorgänger offen zu kritisieren. Dass er in der Länderspielpause intensive Konditions-Einheiten eingeschoben hatte, erklärte der Italiener damit, dass dies „stets zu meinem Plan gehört“. Wahrscheinlich hat Di Matteo das Kernproblem schnell erkannt und verordnet den erschöpften Kickern auch deshalb eine eher destruktive Spielweise statt ihnen in ihrem Zustand ein besonders laufintensives Spiel mit Pressing und Gegenpressing zuzumuten.
Gleichwohl ist es ein Rätsel, warum die Königsblauen nach eigener Führung (Eigentor Islam Slimani/17. Minute) und dem Ausgleich von Naby Sarr (26.) völlig den Faden gegen ein Team verloren, das in der Bundesliga nicht mehr als unterer Durchschnitt wäre. Die Gegentore zwei und drei durch Jefferson (52.) und Nani (73.) bezeichnete Heldt als „vermeidbar“, weil Schalkes Abwehrspieler desorientiert und zu spät eingriffen. Vor allem Christian Fuchs erwies sich auf der linken Seite als Schwachstelle, sah häufig nur die Hacken der flinken Sporting-Profis. Zwar sorgte Dennis Aogo (88.) mit dem 2:3 noch einmal für etwas Spannung, doch mit dem Kontertor von Slimani in der Nachspielzeit war die deftige Pleite besiegelt.
In drei Bundesliga-Spielen unter Di Matteo kassierte Schalke nur einen Gegentreffer. Aber sieben Tore in den zwei Spielen gegen Lissabon seien „einfach zu viel“, kritisierte Klaas-Jan Huntelaar. „Wir haben als Mannschaft zu wenig Fußball gespielt. Vielleicht war die Angst, zu verlieren, größer als der Mut, einen großen Schritt Richtung Achtelfinale zu machen.“ Man habe die Gruppen-Gegner nun unnötig wieder stark gemacht, befand der Torjäger. Die Konsequenz: „Jetzt brauchen wir ein gutes Ergebnis gegen Chelsea.“
Die Konstellation in der Gruppe G nach vier Spieltagen verheißt nun nichts Gutes. Chelsea, Schalkes letzter Heimgegner am 25. November, ist mit 8 Punkten Spitzenreiter vor Schalke (5), Lissabon (4) und Maribor (3). „Die Gruppe ist offen, alles ist noch möglich“, sagte Di Matteo zwar, sah aber nicht glücklich aus. Auch Heldt versuchte, Mut zu machen: „Wir haben es noch selbst in der Hand, können das Achtelfinale aus eigener Kraft schaffen. Aber die Situation spitzt sich zu. Gegen Chelsea und in Maribor müssen wir nun punkten.“