„Als wäre er 40“: Heynckes vor der Krönung
München (dpa) - Auf Philipp Lahm wirkt Jupp Heynckes, als sei der 68 Jahre alte Trainer des FC Bayern einem Jungbrunnen entsprungen.
„Man merkt ihm sein Alter nicht an mit seinem Esprit auf dem Platz, der beeindruckend ist. Er hat eine sehr große Erfahrung. Er ist sehr menschlich, sehr akribisch - er arbeitet, als wäre er 40“, sagte der Kapitän des deutschen Meisters voller Hochachtung über seinen Chef, der putzmunter in sein drittes Champions-League-Finale zieht.
Vor einem Jahr, nach dem verlorenen „Finale dahoam“ gegen den FC Chelsea, nach gleich drei bitteren zweiten Plätzen, wirkte Heynckes auf viele nur noch alt und verbraucht, er galt als Auslaufmodell. Zwölf Monate später ist wieder alles anders: Heynckes hat den FC Bayern und sich selbst weiterentwickelt. Und der erwartete Übergang in den Trainer-Ruhestand nach den zwei Endspielen in London gegen Borussia Dortmund sowie eine Woche später in Berlin gegen den VfB Stuttgart um den DFB-Pokal halten viele Kritiker von einst nun plötzlich für verfrüht. Heynckes aber wird sich kaum beirren lassen.
Nationalspieler Thomas Müller bewundert an seinem Chef, „dass er extrem heiß ist“. Das sei dem ältesten Meistertrainer in 50 Jahren Bundesliga schon im vergangenen Sommer anzumerken gewesen, als sich die Münchner aufrappelten, um nach der zweiten titellosen Saison in Serie endlich wieder Trophäen zu gewinnen. „Am ersten Tag nach dem Urlaub hat er den Eindruck gemacht, dass er höher hinaus will. Letztes Jahr waren wir dreimal Zweiter, da weiß man, wo er hinwill“, sagte Müller. Meisterschale, Champions-League-Trophäe, DFB-Pokal - Heynckes will zum Ende alles. „Wir haben den Hunger“, sagte er.
Mit BVB-Coach Jürgen Klopp hat Heynckes noch eine Final-Rechnung offen. Das 2:5 im Pokalfinale 2012 war eine echte „Watschn“, wie man in Bayern sagt. Im Wembleystadion ist für „Don Jupp“ die Chance zur Revanche gekommen. Auch wenn für ihn das Spiel des Jahres kein Trainerduell ist. „Warum gegen Jürgen?“, fragte Heynckes irritiert zurück. „Das Verhältnis zu Jürgen Klopp ist gut“, versicherte er.
Dass der kontrollierte Heynckes am Samstagabend im Wembleystadion vor den Augen der Fußball-Welt an der Seitenlinie mit dem impulsiven Klopp zusammenrasseln könnte, ist geradezu unvorstellbar - aber nicht wegen des Dortmunder Trainers. Als sich Klopp jüngst beim 1:1 im Ligaduell am Spielfeldrand verbal mit Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer duellierte, stand Heynckes wenige Meter daneben und schaute altersweise auf das kindliche Gezänk der beiden Heißsporne.
Heynckes reduziert den Vergleich mit Klopp rein aufs Sportliche. Bayern und Dortmund seien „Mannschaften, die die Handschrift ihrer Trainer tragen“. Akribisch wird er alle möglichen Wendungen und Möglichkeiten im Finale vorempfinden und taktisch vorbereiten. „Jeder Trainer hat einen Plan, eine Marschroute“, betonte Heynckes. Aber er weiß auch um die Grenze des Trainer-Einflusses: „Letztendlich ist entscheidend, wie die Spieler das umsetzen auf dem Spielfeld.“
Heynckes habe das Bayern-Spiel „weiterentwickelt“, sagte Kapitän Lahm. Der 68-Jährige wäre bei einem Erfolg in London erst der dritte Trainer neben Ottmar Hitzfeld (Dortmund 1997, Bayern 2001) und José Mourinho (FC Porto 2004, Inter Mailand 2010), der mit zwei Vereinen die Champions League gewonnen hätte. 1998 war ihm das mit Real Madrid gelungen, auch bei den „Königlichen“ war danach übrigens Schluss.
Heynckes genießt den neuen späten Ruhm, aber er geht auch bescheiden damit um: „Ich bin verantwortlich für das Ganze, aber ich habe um mich herum ein Super-Team. Für den Erfolg stehen viele“, sagte er mit Verweis auf seine Assistenten, Betreuer, Physios und besonders die Spieler. Auf der Zielgeraden seiner Karriere scheint einfach alles zu passen. Die bislang so traumhafte Saison mit dem FC Bayern hatte Heynckes nach dem Halbfinal-Triumph in Barcelona sogar mit für ihn ungewohnt philosophischen Worten beschrieben: „Es war wie ein Fluss, wo das Wasser wie von selbst herunterläuft.“