Bayern-Heimkehr mit „mulmigem Gefühl“ - Trotzdem Favorit
Turin (dpa) - Auch die aufmunternde Anweisung des obersten Chefs konnte die Bayern-Stars beim Bankett im „Salone delle Feste“ nicht in Feierstimmung versetzen.
So kurz nach dem spektakulären 2:2, das vorher ein Wunschergebnis gewesen wäre, überwog einfach der Ärger über die vergebene Vorentscheidung in der Achtelfinal-Kraftprobe mit Juventus Turin. „Es ist kein katastrophales Ergebnis. Aber man fährt mit einem mulmigen Gefühl nach Hause“, sagte Nationaltorhüter Manuel Neuer. Das Rückspiel in München birgt mehr Spannung als nötig.
Karl-Heinz Rummenigge hob beim Blick auf die entscheidende Partie am 16. März und den Heimvorteil in der Festung Allianz Arena schon in der Nacht zum Mittwoch das Positive hervor. „Ich glaube, wir sollten nicht den Fehler machen und mit diesem Ergebnis hadern, auch wenn wir zwischenzeitlich 2:0 geführt haben“, sagte der Vorstandsvorsitzende.
„Das ist ein sehr, sehr gutes Ergebnis, das uns die Tür für die Qualifikation zum Viertelfinale sehr, sehr offen hält“, erklärte Rummenigge nach einem „großartigen“ Spiel, eine der besten Champions-League-Achtelfinalpartien, „die ich miterlebt habe“.
Für Rummenigge war das Fazit nach einem lange dominierten Spiel mit Toren von Thomas Müller (43. Minute) und Arjen Robben (54.), das in einem verrückten Finale mit der Wiederauferstehung von Juve durch die Treffer von Paulo Dybala (63.) und Stefano Sturaro (76.) gipfelte, eindeutig: Bayern hatte aus Sicht des Vorstandsbosses 2:2 gewonnen und nicht 2:2 verloren. „Ich bin optimistisch, dass die Mannschaft mit unserem Trainergespann das (Viertelfinale) vollziehen wird.“
Schon ein 0:0 oder 1:1 reicht zum Weiterkommen. Insofern sieht Kapitän Philipp Lahm den FC Bayern in der Favoritenrolle. „Wir spielen daheim, und wir wissen, was wir da leisten können“, sagte der Jubilar nach seinem 100. Champions-League-Spiel. Für die Bayern spricht, wie sie Juve bis zum 1:2, das der junge Joshua Kimmich mit einer unglücklichen Abwehraktion einleitete, im Stadion des Gegners auftrumpfte. „Wir müssen festhalten, wie wir Fußball gespielt haben. Unser Plan ist vor allem in der ersten Halbzeit gut aufgegangen“, sagte Lahm.
Bayerns Angriffswucht schüchterte Juve ein. Zwei Fußballstile, zwei Trainer-Philosophien prallten aufeinander, und Pep Guardiola schien Juve-Coach Massimiliano Allegri auszustechen. „Wir Trainer haben der Welt heute mit großer Intensität und Charakter unsere Spielweise gezeigt. Juventus Turin mag die Verteidigung im kleinen Raum und den Angriff im großen Raum. Ich mag dagegen die Verteidigung im großen Raum und den Angriff im kleinen Raum. Das ist der Unterschied“, schilderte Guardiola. Der Spanier mochte keinesfalls mit seiner Mannschaft hadern: „Wir haben wahnsinnig gut gespielt.“
Torschütze Robben hatte schon vor dem Heimflug am Mittwoch den Plan fürs Weiterkommen im eigenen Stadion entworfen. „Wir müssen so spielen wie die ersten 60 Minuten - nur 30 Minuten länger“, sagte der Holländer, der wieder in Topform ist und seine Torflaute beendete.
Analysieren muss Guardiola mit seiner Mannschaft, was nach dem 2:0 passierte. Ein Kräfteeinbruch war's wohl nicht. Vielmehr schienen die Münchner angesichts ihrer drückenden Überlegenheit zu früh einen Haken unter das Spiel zu machen, wie ihre mitgereisten Fans, die im sicheren Siegesgefühl plötzlich Pässe mit Olé-Rufen begleiteten. „Wir haben es in der zweiten Halbzeit nicht mehr geschafft, so dominant zu sein“, bemerkte Torschütze Müller.
Unter Druck zeigte sich auch, dass gegen robuste Stürmer wie den starken Ex-Münchner Mario Mandzukic eine Zwergenabwehr ohne Spezialisten mit Gardemaß wie Weltmeister Jérôme Boateng eben doch verwundbar ist. Der 21-jährige Kimmich machte plötzlich Fehler, böse aber war ihm niemand. „Es ist nicht ein Spieler, der die Schuld trägt“, urteilte Torwart Neuer. Bayern ließ kollektiv nach. Juve feierte sich gleichzeitig für sein verblüffendes Comeback und wittert seine Chance, wie Weltmeister Sami Khedira bestätigte: „Es ist alles möglich.“
Die Unwägbarkeiten des Fußballs bleiben ein Risiko für die extrem heimstarken Bayern. „Juventus ist immer gefährlich“, mahnte Robert Lewandowski. Kollege Müller gelang schließlich noch das Fazit des Abends: „Es war eine gute Leistung mit einem leicht ärgerlichen Ergebnis, das aber im Hinblick auf das Rückspiel leicht positiv ist.“