Bayern mit „Glücksbringer“ Hoeneß auf Triple-Kurs
Lissabon (dpa) - Jetzt soll die letzte Europa-Tour von Pep Guardiola mit dem FC Bayern auch mit der ersehnten Krönung enden.
Genüsslich stießen der erleichterte Katalane und die stolzen Vereins-Größen um den gefeierten Rückkehrer Uli Hoeneß mit ihren Weingläsern auf das nächste Halbfinale in der Champions League an. Einen ruhmreichen Abschied wünscht sich die Münchner Vereinsikone für den scheidenden Star-Trainer. „Er hat jetzt gute Chancen, München durchs ganz große Tor zu verlassen, und das hat er auch verdient!“, zitierten mehrere Medien übereinstimmend Hoeneß, der sich nach seiner Haftentlassung erstmals öffentlich zur sportlichen Situation beim FC Bayern äußerte.
Der lautstarke Beifall für die Stars und den von Karl-Heinz Rummenigge kurzerhand zum „Glücksbringer“ erkorenen Hoeneß hatte zu nächtlicher Stunde kein Ende nehmen wollen. „Ohne Arroganz darf man ein bisschen träumen“, blickte Vorstandschef Rummenigge auf das anvisierte Finale am 28. Mai als dem erhofften Abschluss von Guardiolas Dreijahresprojekt hinaus.
„Ich glaube, wir sollten jetzt alles versuchen, dass wir das große Ziel Mailand nach 2001 auch 2016 erreichen“, betonte Rummenigge. 2001 in Italien und 2013 in London triumphierte der deutsche Fußball-Rekordmeister in Europas Elite.
Wie unter Jupp Heynckes vor drei Jahren sind die Münchner, die nach einer kurzen Nacht am Donnerstag sehr entspannt wirkten, nach dem Weiterkommen gegen Benfica Lissabon trotz erneut defensiver Schwächen auf Triplekurs. „Wir sind in allen drei Wettbewerben wunderbar unterwegs“, schwärmte Rummenigge. Die 26. Meisterschaft ist nur noch eine Frage der Zeit, der 18. Pokalsieg zwei Siege entfernt und in der Champions League sind die ohnehin großen Chancen nach dem überraschenden Aus von Titelverteidiger FC Barcelona noch ein bisschen größer geworden.
„Wir sind jetzt da, wo wir in den letzten zwei Jahren schon waren - im Halbfinale der Champions League und im Pokal-Halbfinale. Ich hoffe, wir können diesmal einen Schritt mehr machen“, erklärte Guardiola, dessen dreijährige Amtszeit ein Bilderbuch-Ende nehmen könnte. Bittere Halbfinal-Lektionen gegen Real Madrid (2014) und Barça (2015) will der am Saisonende zu Manchester City wechselnde Starcoach mit aller Macht vermeiden.
Nur Real um Superstar Cristiano Ronaldo, Barcelona-Bezwinger Atlético Madrid oder pikanterweise Guardiolas künftiger Club können die Bayern auf dem Weg ins sechste Endspiel und Peps Münchner Mission noch stoppen. Ausgelost wird der Gegner für die am 26. April beginnenden Halbfinalspiele im UEFA-Hauptquartier in Nyon.
„Man hat die größte Möglichkeit, ins Finale einzuziehen und die will natürlich jeder nutzen“, betonte der herausragende Kapitän Philipp Lahm. „Es gibt keinen Topfavoriten. Ich glaube, Barça war der Favorit. Aber man sieht, wie eng das ist und wie schnell so was vorbeigehen kann. Nicht umsonst hat noch nie eine Mannschaft den Titel verteidigen konnte.“ Für den FC Bayern hätte alles sogar schon im Achtelfinale vorbei sein können, als gegen Juventus erst eine furiose Aufholjagd die Rettung brachte. Gegen Benfica war das Weiterkommen im Viertelfinale nach dem 1:0 im Hinspiel und dem 2:2 am Mittwochabend dagegen zu keinem Zeitpunkt wirklich gefährdet.
Lahm, der in seinem 103. Königsklassen-Spiel mit dem deutschen Rekordhalter Oliver Kahn gleichzog, glänzte als Stabilisator und Ballverteiler. Nach seinem Blitztor vor einer Woche in München brachte Arturo Vidal die Bayern mit dem 1:1-Ausgleich nach dem 0:1-Schreckmoment und einem der seltenen Manuel-Neuer-Fehler nicht nur wieder auf Kurs. Der Heißsporn verkörperte auch beispielhaft die Siegermentalität, die das Ensemble für einen dritten Triumph in der Champions League braucht.
„Er ist in einer Top-Verfassung, schießt entscheidende Tore, gewinnt entscheidende Zweikämpfe. Er ist unberechenbar, für alle Beteiligten“, lobte Sportvorstand Matthias Sammer den im Sommer verpflichteten Chilenen. Für Vidal gab es beim Bankett, bei dem Medienvertreter nicht zugelassen waren, besonders starken Beifall. Noch lauter und länger wurde aber Hoeneß gefeiert, am Donnerstag posierte er dann noch geduldig für Erinnerungsfotos.
An der Seite seiner Ehefrau und von Guardiola saß der Ex-Präsident bei der ersten Königsklassen-Auswärtsreise nach mehr als zwei Jahren am Vorstandstisch. Der vor sechs Wochen aus der Haft entlassene Hoeneß erhob sich kurz, genoss die Emotionen im Kreise der Bayern-Familie.
„Es war ein wunderschönes Erlebnis! Ich habe mich sehr für die Mannschaft gefreut, dass wir das - wie ich finde - total verdient und souverän geschafft haben“, sagte Hoeneß. Man müsse zugleich aufhören, „immer nur verrückte Forderungen zu stellen an die Mannschaft. Denn das, was bisher geleistet wurde in diesem Jahr, ist sensationell.“
„Leider hatte er einen kleinen Fehlstart mit der Niederlage in München gegen Mainz“, erinnerte Rummenigge an Hoeneß' Stadion-Comeback Anfang März beim 1:2, „seitdem ist er auch so was wie ein Glücksbringer. Wir erwarten, dass du mit Susi auch im Halbfinale dabei bist, und dann hoffen wir, dass die Reise auch noch eine Runde weitergeht nach Mailand. Du bist herzlich willkommen“.
Einen Wunschgegner für die letzte Hürde auf dem Weg ins Endspiel machten die Münchner nicht aus. ManCity wäre sportlich nicht das schwierigste Los, aber angesichts der Guardiola-Zukunft das brisanteste. „Natürlich könnte jetzt City kommen. Genauso aber auch Atlético. Uns interessiert nur: Wir sind im Halbfinale!“, sagte der Spanier und wischte alle Bedenken beiseite. Bei seiner siebten Teilnahme im Wettbewerb ist es sein siebtes Halbfinale. Die Bayern stehen dort zum fünften Mal in Serie, und insgesamt zum zehnten Mal.