Keine magische Nacht - Schalke stößt an Grenzen
Manchester (dpa) - Die Wiederholung der magischen Nacht von Mailand blieb aus, das erneute Fußball-Wunder eine schöne Illusion: Nach der 1:4 (1:2)-Demütigung beim Halbfinal-Aus gegen Manchester Uniteds B-Elf will der FC Schalke 04 seine zwiespältige Saison jetzt mit dem Pokalsieg veredeln.
„Wir müssen schauen, dass wir diese Saison richtig gut abschließen. Und das ist der Fall, wenn wir den Pokal gewinnen“, resümierte Schalkes Trainer Ralf Rangnick. Zum Abschluss des Champions League-Abenteuers war das Duell mit dem englischen Rekordmeister eher eine Begegnung der unerfreulichen Art, einen Platz in den Geschichtsbüchern der Königsklasse haben die Schalker aber durch ihre Halbfinal-Premiere sicher.
Mit gemischten Gefühlen hatte die Schalker Delegation nach dem Anschauungsunterricht das „Theater der Träume“ in Manchester verlassen. In einer Bar ließ die Mannschaft den Abend ausklingen, am Tag danach war von Niedergeschlagenheit nichts mehr zu sehen. Entspannt warteten die Profis auf den Abflug der Chartermaschine AB 1001 nach Düsseldorf. „Wir fahren erhobenen Hauptes nach Hause. Und wir kommen wieder“, sagte der Schalker Aufsichtsratschef Clemens Tönnies am Ende der wundersamen Champions-League-Reise stolz.
Der Spott der englischen Medien ging bei der Dienstreise in den Nordwesten Englands fast unter. Das Boulevardblatt „The Sun“ verglich Schalke mit einem „Leichtgewicht“, der „Daily Telegraph“ nannte die überforderten Gäste sogar ein „Freilos ins Finale“ für ManUnited. Nach dem Abpfiff waren viele Spieler mit hängenden Köpfen wortlos durch die Katakomben des Fußball-Tempels Richtung Mannschaftsbus geflüchtet. Zu chancenlos war der FC 04 gegen das Millionen-Starensemble von Manchester United. 0:2 im Hinspiel, 1:4 in Partie zwei vor 74 607 Zuschauern in Old Trafford - Rangnick wusste hinterher nicht, ob er von einer Lehrstunde sprechen oder das Positive bewerten sollte.
„Klar ist, dass wir gegen diesen Gegner an unsere Grenzen gestoßen sind“, bilanzierte der Schalker Coach, ehe ihm Sportvorstand Horst Heldt die verbale Steilvorlage lieferte. „Mit dem Halbfinale wurde Historisches geschaffen“, hielt Heldt mit Inbrunst in der Stimme fest. Mehr war nicht möglich nach den Toren von Antonio Valencia (26. Minute), Darron Gibson (31.) und dem Doppelschlag des Brasilianers Anderson (72./76.). Das Finale von Wembley gegen den FC Barcelona war trotz des Anschlusstreffers von José Manuel Jurado (34.) ein unerreichbares Ziel.
Dem UEFA Cup-Sieger von 1997 hatten ohnehin nur die wenigsten zugetraut, überhaupt jemals zum erlauchten Vierer-Kreis von Europas Fußball-Adel zu gehören. Fast schon trotzig reagierte Innenverteidiger Christoph Metzelder auf die kollektive Ernüchterung seiner Kollegen unmittelbar nach dem Spiel: „Das Gefühl, dass wir Großes oder sogar Historisches erreicht haben, wollen wir uns nicht nehmen lassen.“
Die Schalker Probleme wurden nach der vierten Niederlage in Serie allerdings auch nicht weniger: Das System Felix Magath längst gescheitert, die Identifikationsfigur Manuel Neuer vor dem Absprung, der Kader zu groß, zu instabil, zu teuer, der Effekt des Trainerwechsels möglicherweise schon verpufft - die Auswahl von Magath-Nachfolger Rangnick steht im DFB-Pokalfinale am 21. Mai gegen Zweitligist MSV Duisburg unter Druck. Ein Sieg in Berlin ist Pflicht, um 2011/2012 in der Europa League starten zu dürfen. Ähnlich wie Rangnick will auch Heldt nur bei einem Pokalsieg von einer tollen Saison sprechen: „Wir dürfen uns die Saison nicht durch eine Niederlage im Pokalfinale kaputt machen lassen.“
Das Vorhaben Pokalsieg wird angesichts der allgemeinen Verunsicherung im Team schwer genug. Metzelder forderte im Liga-Alltag einen Neustart an den letzten beiden Spieltagen: „Jetzt müssen wir wieder Spaß entwickeln im Hinblick auf das Cupfinale. Das ist eine Riesenchance, einen Titel zu holen.“ Für Neuer, der beim 0:2 patzte, geht es darum, wieder das Siegen zu lernen: „Wir müssen wieder wissen, wie das Gewinnen geht.“
Der Nationalkeeper blieb auch in Manchester ein Spekulationsobjekt. Heldt bestätigte Gespräche mit Interessent Bayern München und stellte klar, „dass die Personalie spätestens am 31. August vom Tisch sein muss“. Dann könnten zu den auf mehr als 50 Millionen Euro brutto geschätzten Champions-League-Einnahmen rund 20 Millionen Euro für einen Neuer-Verkauf hinzukommen und die Schalker Finanzsorgen weiter gelindert werden.
Das tut Not, weil der Personaletat zwischenzeitlich auf etwa 70 Millionen Euro angestiegen sein soll. Heldt und Rangnick wollen den aufgeblähten Spielerstamm „auf ein vernünftiges Maß“ reduzieren, dabei aber auch ein Maximum an Qualität erhalten. Das ist ein heftiger Spagat. „Jetzt zu sagen, dass wir in zwei oder drei Jahren auch so einen Kader zusammenstellen wie Manchester United, geht an der Realität vorbei“, warnte Rangnick.