Wenig Einsicht bei Schalke
Gelsenkirchen (dpa) - Beim FC Schalke 04 liegt derzeit fast alles im Argen. Nach dem 1:1 gegen den griechischen Vizemeister PAOK Saloniki im Playoff-Hinspiel droht nicht nur das vorzeitige Scheitern in der Qualifikation für die lukrative Champions League:
Ärger gibt es auch mit der Gelsenkirchener Polizei und der UEFA. Nach einem massiven Polizeieinsatz in der Nordkurve gegen Ultra-Fans muss der sportlich gebeutelte Revierclub womöglich auch noch mit Ermittlungen und einer Strafe durch die Europäische Fußball-Union rechnen.
Wie eine UEFA-Sprecherin auf dpa-Anfrage erklärte, könne aber erst nach Vorliegen des offiziellen Spielberichts über ein eventuelles Disziplinarverfahren gegen den Verein entschieden werden. Damit sei nicht vor Freitag zu rechnen. Zuletzt hatte die UEFA Vorgänge wie in der Veltins-Arena mit empfindlichen Strafen bis hin zu Platzsperren oder Zuschauer-Ausschlüssen geahndet. Wie auch bei Gegner Saloniki, der wegen früherer Randale seiner Fans das Rückspiel gegen Schalke zum Leidwesen von Stevens ohne Anhänger bestreiten muss. „Dann fehlt uns die Unterstützung. Das finde ich schade, weil Fußball noch immer für die Fans da ist“, kritisierte Stevens.
Dass Schalkes Geschäftsführer Peter Peters das konsequente Vorgehen der Gelsenkirchener Polizei, die nach eigener Darstellung auf Anraten griechischer Beamter eine Eskalation zwischen den rivalisierenden Gruppen mit Pfefferspray und Schlagstöcken verhindern wollte, als „völlig unverhältnismäßig“ kritisierte, passt ins desolate Bild, das die „Königsblauen“ derzeit in allen Bereichen abgeben. „Uns stört das Verhalten der griechischen Behörden mehr als das der Polizei. Das war eine Umkehrung des Sachverhalts“, sagte Peters. Die deutsche Polizei habe auf die Lageeinschätzung der griechischen Beamten reagiert. Zudem sei der Einsatz nicht mit Schalke abgestimmt worden, was die andere Seite bestritt.
Die Polizei rechtfertigte das konsequente Einschreiten erst in einer schriftlichen Stellungnahme, dann in einer Pressekonferenz. Das unterstreicht die Brisanz des emotionalen und auch in den Fan-Foren heiß diskutierten Themas. „Das war nach Abwägung aller Rechtsgüter die absolut mildeste aber dennoch erforderliche Maßnahme, um die Sicherheit zu gewährleisten“, sagte Klaus Sitzer, Einsatzleiter der Polizei auf Schalke.
Der Einsatz war erfolgt, um ein Banner im Schalker Fanblock zu entfernen, durch das sich PAOK-Anhänger provoziert fühlten. Sie hatten laut Polizei mit Blockstürmen, Spielfeldsturm und Spielabbruch gedroht, falls das Banner befreundeter Ultras des mazedonischen Clubs Vardar Skopje nicht verschwinde.
„Die Unruhe im Stadion haben wir auf der Tribüne mitbekommen, auch die Spieler auf dem Platz. Das war nicht hilfreich“, kommentierte Manager Horst Heldt das chaotische Geschehen. „Was genau passiert ist, hat das Team aber nicht beeinflusst“, meinte Jens Keller. Der Trainer beurteilte den erneut äußerst mäßigen sportlichen Auftritt seiner Elf gegen die biederen, aber vom früheren Schalke-Coach Huub Stevens hervorragend eingestellten Griechen überraschend positiv. Mit dem Ergebnis sei er nicht zufrieden, aber „mit der Art und Weise, wie wir gespielt haben, vor allem in der ersten Halbzeit“.
Wie weit sich der Champions-League-Halbfinalist von 2010/2011 nach dem miserablen Saisonstart von den eigenen Ansprüchen entfernt hat, zeigen auch die Reaktionen der Spieler. Anders als nach dem 0:4 in Wolfsburg gab sich kaum jemand besonders selbstkritisch, dafür aber umso zuversichtlicher. „Ich bin mir sicher, dass wir im Hinspiel einen Schritt in die richtige Richtung gemacht haben und in Griechenland weiterkommen“, sagte Julian Draxler. Timo Hildebrand erwartet in Thessaloniki eine „schwere Kiste“, aber „es ist noch alles offen. Wir gehen positiv ins Rückspiel“, sagte der Keeper. „Wir verkennen die Lage, in der wir stecken, mit Sicherheit nicht.“
Objektiv betrachtet stagniert Schalke, die Probleme türmen sich. Zwar hatte die Keller-Elf auch ohne den verletzten Torjäger Klaas-Jan Huntelaar in der ersten Hälfte 70 Prozent Ballbesitz gegen den extrem defensiven Gegner, aber mehr als das 1:0 durch Jefferson Farfán (32.) sprang nicht heraus. So kann das Ausgleichstor durch den Slowaken Miroslav Stoch (73.) für Schalke sehr teuer werden.
Noch herrscht aber Zuversicht, dass man die Gruppenphase erreicht und dadurch rund 20 Millionen Euro einnimmt. Weder Keller („Wir haben so viel Qualität in der Offensive, dass wie eine sehr gute Chance haben weiterzukommen“), noch Heldt beschäftigen sich mit einem Aus. „Das Geisterspiel im leeren Stadion wird ungewohnt, ein Nachteil wird es allerdings nicht sein. PAOK hat zwar weiter nichts zu verlieren, aber nichtsdestotrotz werden wir weiterkommen“, meinte der Manager.