Fußball Der Fan und sein Trikot - eine ungeheure Fußball-Liebesgeschichte
Mehr Trikots, mehr Geld, mehr Ärger: In Dortmund gehen gerade die Fans auf die Barrikaden. Was macht so ein Trikot eigentlich mit einem? Eine Betrachtung.
In grauer Vorzeit kam das Trikot von der Stange. Eines für daheim, eines für auswärts, vielleicht sogar noch eines für jene verrückten Spiele, in denen alles nichts mehr hilft und sich die mitgenommenen Kiste mit den Trikots als exakt die falsche erwies, so dass dann tatsächlich mal die Drittgarnitur ran musste. Das war es dann aber auch. Damals eben, als Sportausrüster noch keine Heerscharen diplomierter Designer beauftragten, um das Leiberl eines Bundesligisten kreativen Wirrwarrs entspringen zu lassen. Die Farben variierten, der Rest verlor sich in Eintönigkeit. Dicke oder dünne Streifen an Ärmeln und Hosen entlang – mehr Schnickschnack gab´s nicht.
Doch es ist, wie überall im Leben: Über die Jahrzehnte hat sich die Arbeitskleidung der Kicker gewandelt. Polyester ersetzte Baumwolle, Neonfarbe blasses Gelb, Hightech transportiert des Balltreters Schweiß ins Freie. Wo heute Netflix, Amazon Prime, Sky und DAZN die kargen drei Sender von früher ad absurdum führen, ist auch die Trikotlandschaft eine andere geworden: von allem mehr, immer strahlender, immer öfter neu und vor allem: viel. Und teuer.
Bayerns Wiesn-Trikot gibt es,
auch wenn es die Wiesn nicht gibt
Denn die findigen Marketingmacher haben längst erkannt, dass ein Gewand den Gesetzen der Geldvermehrung widerspricht. Jeder Anlass hat seinen Dresscode, Fußball darf keine Ausnahme sein. Der FC Bayern ist nicht nur sportlich Meister seines Fachs, unschlagbar vermarktet der Konzern auch seine Produkte. Jüngstes Beispiel: ein dunkelgrün-goldenes Wiesn-Trikot im bayerischen Trachten-Look. Dass das größte Volksfest der Welt coronabedingt ausfällt – geschenkt.
Erlaubt ist, wofür gezahlt wird. Vorbei die Zeiten, in denen der Herstellungspreis die Clubs verschreckte und nur unter Todesstrafe ein Spieler sein Hemd in den Fanblock werfen durfte. Heute werden überhaupt nur noch Verträge mit jenen Anbietern geschlossen, die alle paar Monate das nächste Trikot aus der Fabrik zuliefern können: Mit dem wird dann der Fanshop angereichert und die Geldbörse des gemeinen Fußball-Fans geleert. Denn das Trikot ist das Statussymbol des Fußball-Alltags: Wenn man schon nicht die Feinfüße von Marco Reus hat, möchte man wenigstens so ähnlich gekleidet herumlaufen. Wenn auch mit 40 Kilo mehr. Hauptsache Trikot. Wenn auch XXL
Die Münchner verfügen in dieser Saison folglich über ein rotes, schwarzes, weißes und ein grünes Trikot. Eine zunehmende Herausforderung für jeden Zeugwart ist das. Nicht dass er sich mal vergreift und die Stars im Sinne des Unterschieds ein Trainingsleibchen überziehen müssen. Alles schon mal passiert.
Aber: Praktisch ist das natürlich auch, so eine Ansammlung von vielen unterschiedlichen Trikotlinien. Dann kann man auch mal wie weiland Rudi Gutendorf 1968 mit besonderen Motivationstricks den Fluch des schlechten Kicks vertreiben, ohne hinterher nackt dazustehen: Als der junge Gutendorf 1968 Schalke 04 auf dem letzten Platz übernahm, ließ er erst mal auf seine Anordnung die Trikots verbrennen. „Da steckt die Seuche drin“, hatte Gutendorf gesagt und natürlich Recht gehabt, weil der FC Schalke in besagter Saison zwar die Trikots verlor, aber den Klassenerhalt gewann.
Ein Slogan im Jersey
ist auch gern genommen
Für die Anhänger ist das Trikot natürlich eine emotionale Sache. Ist das Kleidungsstück doch Repräsentant inniger Liebe, Zeugnis ewiger Bindung und Zugehörigkeit. Könige und Ritter scharten sich einst unter Fahnen und Wappen, nicht anders verhält es sich unter Fußballanhängern. Um sich deren Gefolgschaft zu sichern, wird der FC Bayern nie mehr ein Heimtrikot in anderen Farben als rot und weiß gestalten.
Auch gut fürs Marketing: ein Slogan im Jersey. Hat inzwischen jeder Bundesligist. So werben der FC Augsburg mit „Eine Region – Ein Verein – Eine Leidenschaft“, der FSV Mainz mit „Der Karnevalsverein“ oder Bayer Leverkusen mit „Die andere Familie“. Borussia Dortmund beschreibt sich als „Echte Liebe“. Wie ausgeprägt diese Liebe unter den schwarz-gelben Fans ist, hat Dortmunds Ausrüster erst kürzlich erfahren. Weil das Champions-League-Trikot des BVB kein erkennbares BVB-Logo auf der Brust ziert, sondern Ton in Ton gehalten ist, regte sich Widerstand. Und zwar derart anhaltend, dass sich der Puma-Vorstandsboss Björn Gulden zu einer Entschuldigung genötigt sah. Künftig werde man darauf achten, das Wappen deutlicher zu zeigen, versprach er. „Wir haben uns das Feedback wirklich zu Herzen genommen“, sagte Gulden, der einst selbst Fußballprofi gewesen ist und dessen Sohn Henrik beim VfL Bochum und Rot-Weiss Essen unter Vertrag gestanden hat. Aber das muss ja nun wirklich nichts heißen.
Die Lösung dieses Problems liegt auf der Hand. In Dortmund findet jährlich die Osterkirmes statt, immerhin das größte Volksfest im Ruhrgebiet. Das schreit nach einem Trikot. Dann mit einem klar erkennbaren Logo natürlich. Absatz garantiert. Wer erst tief genug gefallen ist, in dem ist wieder die Gier geweckt. Die Gier auf ein Trikot. Und das nächste kommt bestimmt!