15 EM-Anekdoten EM-Anekdoten: 15 Dinge, die sie noch nicht über die EM wussten!

Carsten Jancker als schönster Mann, der anrasierte Nacken von Lukas Podolski oder Horst Hrubesch mit göttlichem Beistand: Das Magazin 11Freunde hat 15 Anekdoten zur Nationalelf bei der EM zusammengetragen.

Foto: Witters

2000
Jancker, du bist der schönste Mann

Beim Turnier in Belgien und den Niederlanden schoss die deutsche Mannschaft exakt ein Tor und schied sang- und klanglos nach der Vorrunde aus. Einer durfte sich allerdings über eine unerwartete Ehrung freuen. Während des Turniers ließ Antenne Bayern über den attraktivsten deutschen Spieler abstimmen. Über 34 000 Voten gingen ein, die Umfrage hatte damit wohl schon so etwas wie einen repräsentativen Charakter. Änderte nichts am schockierenden Ergebnis: Auf Platz eins schaffte es Carsten Jancker. Leider kein Einzelfall, zwei Jahre später geriet Asien bei der WM in Schnappatmung, als Jancker beim Torjubel (nach dem Treffer zum 4:0 gegen Saudi-Arabien) sein Trikot auszog. Nach dem EM-Turnier wartete dann die nächste Ehrung auf ihn. Die niederländische Zeitung „Algemeen Dagblad“ nominierte die schlechteste Elf des Turniers, Jancker war wieder sicher dabei. Stimmige Begründung: „Er ist noch schlechter als Bierhoff. Und das will was heißen.“

Angeblich ist der Ball, den Uli Hoeneß einst als deutscher Elfmeterschütze in den oft besungenen Belgrader Nachthimmel drosch, ja nie gefunden worden. Dabei hätten Hoeneß die Seelenschmerzen erspart werden können, hätten die DFB-Funktionäre zuvor nicht wilde Aktivitäten entfaltet, um eben dieses Elfmeterschießen überhaupt zu ermöglichen. Ursprünglich nämlich sah das Reglement bei einem Unentschieden nach Verlängerung ein Wiederholungsspiel zwei Tage später vor. Dann aber wurde auf Bitten von DFB-Chef Neuberger, Bundestrainer Schön und Teamarzt Deuser kurzfristig auf Elfmeterschießen umgeschwenkt, was den verblüfften Kickern erst beim Aufwärmen mitgeteilt wurde. Nach dem Spiel gab sich Neuberger geläutert: „Ich bin für einen neuen Modus: wie im Europacup mit Hin- und Rückspiel auch im Halbfinale. Auch sollten zwei Endspiele ausgetragen werden.“ Er sollte sich nicht durchsetzen — dafür kamen die Deutschen 1976 pünktlich in den Urlaub.

Gänzlich ungestört war die Nationalelf in ihrem lauschigen Quartier in Mottram Hall nicht. Nicht nur, dass für die „Woodford Air Show“ zahlreiche Düsenjäger über das Quartier donnerten, es fanden auch gleich fünf Hochzeiten an einem Wochenende im Hotel statt. In den ersten Tagen konnte die Nationalelf auch nicht auf den eigentlich vorgesehenen Trainingsplatz. Das Feld war übersät mit Steinen und Scherben. Später gab’s dann große Aufregung in den englischen Tabloids, als Fotos weitgehend unbekleideter deutscher Spieler beim Saunagang auftauchten. Weltenbummler Berti Vogts lapidar: „Ich weiß, dass man in Russland eine Pudelmütze aufzieht, wenn man in die Sauna geht. Jetzt weiß ich, dass man in England dabei eine Hose trägt.“

Die Aktivitäten der deutschen Elf nach dem Ausscheiden bei Europameisterschaften waren für den Boulevard stets von besonderem Interesse. Nach der grausigen EM 2000 hockten Reporter im Quartier in Vaals in den Büschen und notierten jedes geleerte Bier. „Die Nacht der Schande“ lautete am Tag nach dem Umtrunk die Schlagzeile. Besonders eingeschossen hatte sich die „Bild“ auf die Bayern-Fraktion im „Sauhaufen Nationalmannschaft“, also Jancker, Babbel, Jeremies, Linke und Hamann. Die hätten oft in Vaals „bis zwei Uhr nachts“ Schafkopf gespielt und Alkohol getrunken. Alle Wetter! Und nicht einmal nach dem Finale gegen Spanien 2008 durften die Nationalspieler ungestraft bechern. „Bild“ notierte, dass Frings, Borowski, Metzelder und Mertesacker als Letzte um genau 7.13 Uhr den Club Phoenix verließen. Darin fanden die Boulevard-Schnüffler zum Entsetzen aller: Bierflaschen, Rosenblätter auf dem Boden und einen Teller mit spanischer Wurst.

Während der EM hatte sich Horst Hrubesch immer mal wieder aus dem Quartier gestohlen, um einmal den Papst auf dem Petersplatz zu sehen. Vor dem Spiel gegen Griechenland bekam Hrubesch dann den Heiligen Vater endlich zu Gesicht. Und mehr noch: „Da hat er plötzlich in unsere Richtung gewunken und zwei Finger wie zum Victoryzeichen gehoben.“ Was ein Hamburger Journalist gleich als göttliches Zeichen für den Griechenland-Kick interpretierte: „Horst, das heißt: Du sollst zwei Dinger machen.“ Hrubeschs Entgegnung nach dem drögen 0:0: „Es kann doch nicht sein, dass der Papst auch noch lügt.“ Im Finale schoss Hrubesch dann zwei Tore. Ein echter Gottesbeweis für Hrubesch und den seligen Reporter.

Was für ein missratenes Turnier. Sogar den sonst stets souverän errungenen Bier-Titel konnten die Deutschen nicht verteidigen. Ein portugiesisches Magazin listete auf, bei welchen Vorrundenspielen im Stadion am meisten gezecht wurde. Deutschland gegen Holland lag mit 8520 Litern Bier nur auf Platz zwei hinter der Partie Portugal gegen Russland (9120 Liter). Und die Engländer: Deren Spiele rangierten auf den Plätzen drei und vier. Im sportlichen Feld hatte sich Co-Trainer Michael Skibbe vor Turnierstart überaus optimistisch gezeigt: „Ich gehe davon aus, dass wir in 14 Tagen im Viertelfinale stehen und genauso lange im Turnier bleiben wie vor zwei Jahren.“ Er meinte offenbar das Finale 2002. Passte nicht ganz, 14 Tage später waren Skibbe und die anderen wieder auf dem heimischen Sofa. Als Völler deprimiert demissionierte, wurde Franz Beckenbauer gefragt, ob er nicht noch mal einspringen wolle. Panische Antwort des Kaisers: „Eher springe ich vom Balkon.“

1984 hatte das noch ganz anders geklungen. Beckenbauer ließ sich nach dem 0:1 gegen Spanien und dem erzwungenen Rücktritt von Bundestrainer Derwall erst einmal in der „Bild“ gehässig über die Mannschaft aus. „Leichtathleten statt Fußballer“ seien am Werk gewesen, kübelte Beckenbauer, wollte aber zunächst partout nicht selber in die Bütt. Wer wird Nachfolger, Franz? „Woaß i doch ned.“ Später wusste er es dann doch, auch weil die „Bild“ ihn mehrfach daran erinnert hatte: „Franz, jetzt musst du es selber machen!“ Vorgänger Jupp Derwall war derweil mustergültig aus dem Amt gemobbt worden. DFB-Präsident Neuberger hatte schon vor dem Turnier Erich Ribbeck großzügig den Cheftrainerposten angeboten. Nach dem 0:1 gegen Spanien war Derwall dann klar, dass es nicht weitergehen würde. Toni Schumacher wandelte mit ihm über den Stadionrasen: „Obwohl ich Nichtraucher bin, haben wir eine Zigarette geraucht. Wir haben beide gewusst: Es ist vorbei.“

Die Zeit vor dem Fußballboom: Bei der Europameisterschaft 1996 in England herrschte bei manchen weniger attraktiven Spielen gähnende Leere auf den Tribünen. Beim Vorrundenspiel Tschechien gegen Russland verloren sich gerade einmal 15 000 Zuschauer in Liverpools Anfield, und auch die Partie der Spanier gegen Bulgarien sahen lediglich 20 000 Menschen an der Elland Road in Leeds. Auch die deutschen Partien waren nicht übermäßig gut besucht. Keines der deutschen Vorrundenspiele in Old Trafford war ausverkauft. Und selbst Freikarten lockten viele deutsche Fans nicht zu den Begegnungen. Zu den Gruppenspielen gegen Russland und Tschechien verteilte ein Nudelfabrikant je 80 Freikarten an Schulkinder.

Das Viertelfinale der Euro 1972 in Wem-bley gegen England ist längst ein Mythos. Der Kick gilt als Geburtsstunde der spielstärksten deutschen Elf aller Zeiten. Vergessen wird oft, dass die Moral der Truppe vor dem Spiel in England am Boden war, bis Trainer Helmut Schön die Geknickten mit allerlei gefälligen Sinnsprüchen wieder aufrichtete: „Schlimmer geht’s nimmer! Wir sind ganz unten und das hat einen gewaltigen Vorteil. Es kann nämlich nur noch aufwärts gehen!“ Eine bestechende Logik, die auch Helmut Schön selbst aus den Socken haute. Als beim Stand von 1:1 Sigi Held im Strafraum gefoult wurde und es Elfmeter für die deutsche Mannschaft gab, brüllte Schön auf den Platz: „Günter schießt!“ und wollte sich anschließend zurück auf die Trainerbank setzen. Er hatte sich allerdings ein wenig in der Entfernung verschätzt und purzelte neben der Bank auf den Rasen. Keeper Sepp Maier süffisant: „Das Tor musste er sich später im Fernsehen anschauen.“

Die Frisuren der deutschen Nationalspieler während des Turniers in Österreich und der Schweiz waren sicher en gros diskussionswürdig, allen voran die wasserstoffblonde Autoscooter-Bürste von Bastian Schweinsteiger, die bei der Friseursinnung Heulen und Zähneklappern auslöste. Allzu harsche Kritik musste jedoch Shootingstar Lukas Podolski vor dem Turnier über sich ergehen lassen. Kein Geringerer als Michael Jung, selbsternannter „Kultfriseur“ aus Hamburg, wetterte in einem Zeitungsinterview mit Schaum vor dem Föhn: „Ihm hat noch keiner gesagt, dass anrasierte Nacken nicht mehr in sind. Das gilt übrigens auch für seine Mallorca-Blondierung.“ Worte, von denen sich Poldi bis heute nicht erholt haben dürfte.

1996 galten noch eiserne Vorschriften in Sachen Volksnähe. Faustregel: Nach jedem Länderspiel muss jeder Spieler 500 Autogrammkarten signieren. Also saßen die Kicker am Tisch, bis der Filzstift qualmte. 2008 waren die Vorschriften laxer. So lax, dass der Altinternationale Toni Schumacher während des Turniers wütete, die Nationalspieler von heute würden keine Autogramme mehr schreiben. Früher war alles besser. Als die schreibfaulen Bastian Schweinsteiger, Jens Lehmann und Christoph Metzelder während der Vorrunde in einem Restaurant Platz nahmen und von Autogrammjägern umlagert wurden, folgten sie jedoch der Bitte nach ihren Unterschriften. Schweinsteiger signierte eiskalt als „Toni Schumacher“.

Fans der deutschen Nationalelf waren bei den Spielern nicht immer sonderlich beliebt. Als beim Finale 1972 ein paar Schlachtenbummler schon vor dem Schlusspfiff am Spielfeld herumlungerten, griff Keeper Sepp Maier kurz entschlossen ein. „Ich sah den wild gestikulierenden Schiedsrichter aus Wien, sah, dass er schon das Spiel abbrechen wollte. Da spurtete ich aufs Spielfeld, schnappte mir ein paar der ärgsten Schreier, trieb sie zum Spielfeldrand, wo der aufgeregte Bundestrainer die Störer in Empfang nahm und an die Polizei weiterreichte.“ Noch mal gut gegangen. Bei der Euro 2008 wiederum sorgte eine Horde von Schalke-Fans für Aufsehen, die das deutsche Team beim Viertelfinale fleißig anfeuerte. Schnell zoomten die Kameras drauf. Nicht etwa, weil die Gelsenkirchener ausfällig geworden wären, sondern weil sich unter ihnen ein Mann befand, der die Reisen zu den folgenden Turnieren nicht aus der eigenen Tasche bezahlen musste: Manuel Neuer.

Sex im Trainingslager war stets ein heikles Thema. Der sittenstrenge DFB-Boss Hermann Neuberger („Sex findet nicht statt“) hatte von den Kickern strikte Enthaltsamkeit gefordert und sich selbst als Herbergsvater mit einquartiert. Das Schlucksee-Trauma, als die Mannschaft das Hotel zum allgemeinen Bedauern mit Teilnehmerinnen eines Schönheitswettwerbes geteilt hatte, wirkte nach. „Ich kann von Männern, die ihr Land vertreten, verlangen, dass sie sich drei Wochen zusammenreißen.“ Brave Kicker wie Gerd Strack assistierten eilfertig: „Wenn man Erfolg haben will, muss man auf gewisse Dinge auch mal verzichten.“ Kalle Rummenigge war realistischer: „So ein Trainingslager hat eine Alibifunktion vor der Öffentlichkeit.“

Das frühe EM-Aus war für den aussortierten Mario Basler Anlass genug, gegen Trainer Erich Ribbeck nachzutreten: „Er hat keinen Charakter, er ist link. Er hat außerdem verhindert, dass ich beim Abschiedsspiel von Matthäus mitspiele.“ Das war sicher der härtere Schlag als die Nichtnominierung. Schon vor dem Turnier hatte die Bayer-Bayern-Connection im Trainingslager einen kühnen Plan ausbaldowert, der da lautete: den Teamchef ablösen und den alternden Libero Matthäus (105) zu einer Art Spielertrainer machen. „Wir wussten, dass wir bei der EM mit Ribbeck nie eine Chance haben würden“, steckte einer aus der Gruppe der Presse. Da hatten sie nicht unrecht. Wobei Ribbeck durchaus humorige Momente hatte. War die Verbannung des Kapitäns Oliver Bierhoff auf die Bank sein schwerster Moment? „Nein, der schwerste war eindeutig, als ich den Jungs beim Confederations Cup ernsthaft vermitteln sollte, dass sie eine Chance gegen Brasilien hätten.“

Als die deutsche Mannschaft 1972 das Finale souverän gegen die Sowjetunion gewonnen hatte, holte sich die Mannschaft den Pokal ab. „Kommen Sie mit?“, fragte Beckenbauer Bundestrainer Helmut Schön. Der zierte sich zunächst. Das sei ja nun eine Sache der Mannschaft. „Aber der Franz zog mich fast hinauf“, erinnerte sich Schön später gerührt. Schön bekam den Pokal in die Hand gedrückt und knutschte die Silbervase in ungewohnter Leidenschaft ab. Mit beim Team war dann auch der frisch am Knie operierte Berti Vogts, der vor dem Spiel noch weinend in die Kabine gekommen war. „Fast musste ich ihn hinausweisen“, erinnerte sich Schön später, der Vogts im Waschraum streng ermahnte: „Berti, du kannst nicht vor einem Endspiel mit den Tränen in den Augen in der Kabine sitzen. Das ist nicht gerade eine Stimulanz für die anderen.“ Die Ansprache des Bundestrainers half: „Er fasste sich dann auch und wir gingen wieder in die Kabine.“