Schweinsteiger kämpft um großen EM-Abschied

Évian-les-Bains (dpa) - Der Kapitän kämpft mit dem Willen eines Champions um seinen großen EM-Abschied.

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Wie beim WM-Triumph vor zwei Jahren, als der lange verletzte Bastian Schweinsteiger erst während des Turniers den Weg zurück in die deutsche Auswahl fand, ist auch der Start in seine letzte Fußball-Europameisterschaft alles andere als ein Selbstläufer.

Wieder einmal wird an Schweinsteigers Form und Fitness gezweifelt, wieder einmal will der blutverschmierte Held des WM-Finales von Rio alle Kritiker auf großer Fußballbühne widerlegen.

„Er hat die größte Erfahrung, er hat, was seine Persönlichkeit betrifft, ein hohes Standing in der Mannschaft und bei allen“, rühmte Bundestrainer Joachim Löw in Évian-les-Bains die Verdienste des 115-maligen Nationalspielers. Und Löw schob extra nach: „Er ist für mich schon der Ansprechpartner als Kapitän.“

Doch auch ein Anführer wie Schweinsteiger muss sich nach langer Verletzung hinten anstellen und gedulden. Selbst bei Löw, der 2004 erst nach „Schweini“ zum Nationalteam stieß. „Bastian ist schon so lange dabei, wir arbeiten seit zwölf Jahren zusammen und haben die ganze Entwicklung mitgemacht“, erinnerte Löw. Der Bundestrainer musste sich nach zwei Innenbandverletzungen im rechten Knie von Schweinsteiger lange um seine Führungskraft sorgen. Mittlerweile ist der 31-Jährige im Trainingsprozess. Der Spielrhythmus fehlt aber natürlich noch.

„Er hat sicherlich noch nicht die Substanz, über einen längeren Zeitraum zu gehen. Aber er ist als Typ unheimlich wichtig für die Mannschaft und er ist auf einem sehr, sehr guten Weg“, sagte Löws Assistent Thomas Schneider am Freitag. Bei Manchester United hatte Schweinsteiger im EM-Jahr gerade mal 141 Minuten gesund auf dem Spielfeld gestanden. Sein kurzes Länderspiel-Comeback gab er vor einer Woche als Einwechselspieler beim 2:0 gegen Ungarn.

Auf dem Trainingsplatz fiel Schweinsteiger in Évian-les-Bains besonders dadurch auf, dass er bei einer Einheit als einziger Auswahlspieler in langer Trainingskleidung statt im kurzen Sportdress das Programm abspulte. „Basti ist auf alle Fälle fit, macht einen sehr guten Eindruck und kann für uns ein sehr wichtiger Spieler sein mit seiner ganzen Klasse, mit seiner Erfahrung“, erklärte Schneider.

Manuel Neuer oder Sami Khedira werden Schweinsteiger in der Partie am Sonntag (21.00 Uhr/ARD) gegen die Ukraine als Kapitän vertreten. „Für uns spielt es keine große Rolle, wer jetzt am Ende die Binde tragen wird“ bemerkte Welttorhüter Neuer. „Wir haben sehr viele Spieler, die die Führungsrolle übernehmen, und es herrscht eine flache Hierarchie in unserer Mannschaft.“

Das war vor zwölf Jahren, als Schweinsteiger am 6. Juni 2004 erstmals im Nationaltrikot auflief, noch ganz anders. Oliver Kahn oder Michael Ballack hießen zu seinen Anfangszeiten die Kapitäne in der DFB-Elf. An flache Hierarchien war damals nicht im Ansatz zu denken, es war die Zeit der Alphatiere. Mehr als ein Fußballjahrzehnt später muss sich nun auch ein Kapitän gedulden. Das einfache Signal, dass er gesund ist, reicht nicht mehr für die Rückkehr in die Startelf.

„Ich arbeite mich Step by Step nach vorne. Wenn ich Vergleiche ziehe, bin ich jetzt schon viel weiter als 2014“, sagte Schweinsteiger. In Brasilien konnte er nach einer Patellasehnentzündung im Knie erst im zweiten Turnierspiel gegen Ghana als Joker eingreifen. Gegen die USA kehrte er in Spiel drei in die Startelf zurück und führte das Team als Stratege und mit unbändigem Willen bis zum Weltmeistertitel.

„Man hofft, dass das Turnier lange geht. Der Bundestrainer weiß, dass er auf dem Platz auf mich bauen kann“, sagte Schweinsteiger in der Vorbereitung. Der nächste EM-Einsatz ist für ihn auf jeden Fall ein spezieller: Mit seinem 14. Spiel bei einer Europameisterschaft würde er mit dem deutschen Rekordhalter und Kapitäns-Vorgänger Philipp Lahm gleichziehen.

Besonders seine strategischen Fähigkeiten stehen weiter hoch im Kurs. Zudem ist die internationale Reputation riesig. „Er ist der Kapitän, er geht immer mit voran. Über seine Qualitäten brauchen wir nicht zu streiten“, hob DFB-Kollege Benedikt Höwedes hervor. „Er wird noch eine enorm wichtige Rolle für uns im Turnier spielen.“