Europameisterschaft 2016 Zum 27. Geburtstag gibt es für Marco Reus die Heimfahrkarte

Wieder erwischt es Marco Reus. Der körperlich so zerbrechliche Dortmunder Angreifer verpasst nach der WM 2014 auch die EM 2016. Bundestrainer Löw sieht die menschliche Komponente, folgt aber der bitteren medizinischen Prognose. „Geradeaus laufen“ genügt nicht.

Schon wieder muss Marco Reus nur zuschauen.

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Ascona. Einen schlimmeren 27. Geburtstag hätte Marco Reus kaum erleben können. Statt des gewünschten Tickets zur Fußball-EM erhielt der Offensivspieler von Joachim Löw im Schweizer Trainingscamp die Rückfahrtkarte nach Dortmund. Der Bundestrainer traut dem schnellen Flügelspieler, der mit einer hartnäckigen Schambeinentzündung doch weitaus schlimmer verletzt ist als zuvor in Ascona dargestellt, die extremen Strapazen eines langen Turniers in Frankreich nicht zu.

„Es ist für uns und auch für ihn eine bittere Entscheidung gewesen und eine Enttäuschung für uns“, sagte Löw mit ernster Miene, als er am Dienstag zur Mittagszeit im Medienzelt die Streichung des BVB-Stars bekanntgab. Der Angreifer, der in 29 Länderspielen neun Tore erzielte, wäre sogar ein Kandidat für die EM-Startelf gewesen. „Marco Reus in einer sehr guten Form, gesund und fit, wäre für unsere Mannschaft eine enorme Bereicherung gewesen“, sagte Löw.

Zwei Jahre nach dem Last-Minute-Ausfall für die Weltmeisterschaft in Brasilien bedeutet das EM-Aus ein weiteres Schockerlebnis für den spielerisch begnadeten Angreifer mit dem zerbrechlichen Körper. Beim 6:1 im letzten Testspiel in Mainz gegen Armenien hatte Reus 2014 einen Syndesmose-Teilriss und Bandausriss am linken Sprunggelenk erlitten. WM-Traum geplatzt - und den Titelgewinn in Rio verpasst.

Löw blieb - bei allem menschlichen Mitgefühl - nach der Beratung mit dem medizinischen Stab um Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt praktisch keine andere Wahl. „Bei Marco Reus konnten die Mediziner keine klare Prognose abgeben. Er hat schon auch massive gesundheitliche Probleme. Er kann im Moment nur geradeaus laufen“, schilderte der Bundestrainer erstmals während der Vorbereitung die Dimension der körperlichen Probleme von Reus. Mehr als Laufen war im Training nicht möglich.

Die Turnierprognose ließ nur die Streichung aus dem Kader zu. „Die Mediziner sind sehr skeptisch, dass er die nächsten Wochen auch bei diesen zehrenden Spielen und dem zehrenden Turnier voll belastbar ist“, informierte Löw. Im Optimalfall wird der Weltmeister in Frankreich inklusive Finale sieben Partien in 28 Tagen bestreiten.

Reus hatte trotz seiner Probleme bis zuletzt auf seine EM-Teilnahme gehofft. „Mein Anspruch ist zu spielen. Ich will unter die ersten Elf“, hatte er noch Ende der vergangenen Woche verkündet. Sein Ziel, endlich mit einem großen Titel in die Fußball-Ruhmeshalle aufsteigen zu können, erfüllt sich für den Star von Borussia Dortmund wieder nicht. Teamkollege Sami Khedira berichtete, Reus habe nach der für ihn so harten Entscheidung „sehr gefasst“ gewirkt. Er sprach dem Geburtstagskind Mut zu: „Ich bin überzeugt, er kriegt trotzdem noch seine Chance auf großer Bühne.“ Bei der Weltmeisterschaft 2018, dem nächsten großen Turnier, wäre Reus mit 29 dafür noch jung genug.

Dagegen spricht seine Krankengeschichte. Schon das Debüt im Nationalteam hatte sich wegen Verletzungen und Krankheiten mehrfach verzögert. Erst am 7. Oktober 2011 war es beim 3:1 in Istanbul gegen die Türkei soweit. Bei der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine war Reus dann die Entdeckung im deutschen Team. Beim Sieg im Viertelfinale gegen Griechenland erzielte er sogar ein Tor.

Anschließend ging Reus aus Gladbach für 17 Millionen Euro nach Dortmund. Auch dort wechseln sich starke Leistungen mit immer neuen Verletzungen ab. Der in Reus' gesundheitliche Probleme eingeweihte Khedira zog angesichts der eigenen Verletzungsvergangenheit ein ehrliches Fazit: „Es fehlt einiges, um eine EM spielen zu können.“