EM Hollands Fußball-Frauen befreien sich aus Schattendasein
Tilburg (dpa) - Mit der Maximalausbeute von drei Siegen aus drei Gruppenspielen haben sich die niederländischen Fußballerinnen bei ihrer Heim-EM ins Viertelfinale geschossen, doch von einem Oranje-Fieber ist bisher kaum etwas zu spüren.
Auf den holländischen Straßen und Marktplätzen ist das Turnier allenfalls ein Thema unter vielen, ein Hype wie bei den WM- und EM-Spielen der niederländischen Männer-Nationalmannschaft bleibt aus. Die wichtigsten Zeitungen des Landes würdigten das Weiterkommen des Frauenteams auf den Titelseiten nur mit kleineren Meldungen, selbst innerhalb des Sportteils dominierten andere Themen.
Und dennoch: Wenn man bedenkt, dass Frauenfußball in den Niederlanden vor EM-Beginn ein absolutes Schattendasein fristete, fällt die Zwischenbilanz ordentlich aus. Vor allem die guten TV-Quoten beweisen, dass die drei Vorrundensiege nicht völlig an der heimischen Bevölkerung vorbeigegangen sind. 2,4 Millionen Menschen verfolgten am Montagabend das entscheidende Gruppenspiel gegen Belgien, das die Gastgeberinnen nach hartem Kampf mit 2:1 für sich entschieden.
Die ehemalige Duisburgerin Lieke Martens sicherte mit dem Siegtor in Tilburg eine Viertelstunde vor Schluss den Gruppensieg. Schon bei den beiden vorangegangenen Partien gegen Norwegen (1:0) und Dänemark (1:0) waren ähnlich gute Einschaltquoten verzeichnet worden.
„Früher wurde Frauenfußball geduldet, aber jetzt wird er umarmt“, befand die niederländische Nationaltrainerin Sarina Wiegman stolz. Johan Derksen, angesichts seiner bissigen Kommentare einer der gefürchtetsten niederländischen Fußballkritischer, räumte inzwischen sogar ein: „Mädchen können genauso gut Fußball spielen wie Jungens!“
Beim Eröffnungsspiel gegen Norwegen saß neben dem niederländischen Königspaar Willem-Alexander und Maxima auch Ex-Bayern-Trainer Louis van Gaal auf der Tribüne, der die Fortschritte von Wiegmans Team ausdrücklich lobte: „Wie sich der niederländische Frauenfußball entwickelt hat, ist unglaublich“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Ich war seit 2001 nicht mehr bei einem Frauenspiel, der Unterschied zu den Männern war damals viel größer.“
Einer der deutlichsten Unterschiede zwischen dem niederländischen Männer- und Frauenteam ist aktuell vor allem die jüngste Bilanz. Während die Frauen auf ihre zweite EM-Halbfinalteilnahme seit 2009 hoffen dürfen, bangen die Männer nach der verpassten EM-Qualifikation für 2016 nun auch um die WM-Teilnahme 2018 in Russland. „Vielleicht kann sich der Bondscoach der Oranjefrauen auch mit den Herren von Oranje befassen“, twitterte ein Internetnutzer hämisch.