Niederlande blamieren sich, Italien im Glück
Leipzig (dpa) - Oranje sieht schwarz nach der dunklen Stunde auf Island: Die Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 in Frankreich hat ihre nächste Überraschung.
Das 0:2 der Niederlande auf Island war eine Blamage des WM-Dritten und ein weiterer Beweis, dass die einstige Mehr-Klassen-Gesellschaft im europäischen Fußball ad acta gelegt ist. Auch der frühere Fußballzwerg Malta hätte fast für eine große Überraschung gesorgt. Italien „gruselte“ sich zu einem schmeichelhaften 1:0-Erfolg auf der Insel.
„Es ist 2 vor 12. Wir beginnen wieder bei Null. Wir müssen nicht denken, dass wir gut sind. Denn wir sind nicht gut“, sagte ein resignierter Arjen Robben, der wie seine holländischen Mitstreiter völlig hilflos die Gegentore des früheren Hoffenheimers und jetzigen Tottenham-Stürmers Gylfi Sigurdsson registrierte. „Totale Ohnmacht sowohl auf dem Feld als außerhalb“, titelte die Zeitung „Trouw“ und kritisierte damit auch Bondscoach Guus Hiddink. Der beschwichtigte: „Wir werden alles und jeden gut und ruhig analysieren müssen. Es ist wichtig, jetzt nicht die Emotionen an erste Stelle zu setzen.“
Das aber will bei nun sechs Punkten Rückstand nach drei Spielen auf Tschechien und Island in den Niederlanden niemand hören. „Was nun mit Oranje, Guus?“, schrieb „De Telegraaf“ und folgerte aus dem Auftritt: „Oranje ist im Auflösungszustand.“ Das „Algemeen Dagblad“ ging noch einen Schritt weiter. „Hiddink hat keine Inspirationen. Als ob das heilige Feuer in ihm erloschen ist.“ „De Volkskrant“ schließlich verfiel in Sarkasmus: „Die Mannschaft von Hiddink fällt auseinander wie eine Mannschaft von kleinen Fräuleins.“
Island, das die WM in Brasilien erst durch eine Rückspiel-Niederlage in der Relegation gegen Kroatien verpasst hatte, frohlockte. „Ein fantastisches Ergebnis. Wir wussten, dass wir viel hinterherlaufen würden, dass Holland mehr Ballbesitz haben würde, aber unser Plan ging perfekt auf: gut verteidigen und schnelle Konter spielen. Unser Trainer hat uns perfekt eingestellt“, meinte Matchwinner Sigurdsson.
Nach der erneuten Niederlage des großen Gruppenfavoriten und dem eigenen 4:2-Sieg in Kasachstan glaubt Tschechien an die EM-Teilnahme. „Der Kunstrasen kann Tschechiens Feldzug nicht stoppen“, kommentierte die „Pravo“ den dritten Sieg im dritten Spiel. Was dieser Wert ist, wird man am 16. November sehen. Dann kommt es in Prag zum Aufeinandertreffen der noch ungeschlagenen Tschechen und Isländer. Die Niederländer empfangen den Gruppenvierten Lettland, der der Türkei ein 1:1 abtrotzte.
Mit einem azurblauen Auge kamen die Italiener davon. Auf Malta sorgte Länderspiel-Debütant Graziano Pellè mit seinem Treffer in der 24. Minute für die Entscheidung. „Pellè hatte ein sehr starkes Debüt, er ist ein Spieler mit physischer Stärke, der in diesem Kader gefehlt hat. Es war sehr wichtig, so einen Bezugspunkt vorne zu haben“, lobte Auswahl-Trainer Antonio Conte. Ihm ist es gelungen, bei den Italienern Effizienz einziehen zu lassen. „Nach dem Desaster bei der WM haben wir in eineinhalb Monaten vier Partien gespielt und sie alle gewonnen. Sicherlich hätten wir heute Abend etwas mehr leisten können. Aber wir haben in der Gruppe die volle Punktzahl“, betonte der Coach und freut sich nun auf das Duell mit den ebenfalls verlustpunktfreien Kroaten am 16. November.
Deren 6:0 gegen Berti Vogts' Aserbaidschan war ungefährdet, wobei Wolfsburgs Ivan Perisic mit zwei Toren vor der Pause für die Vorentscheidung sorgte. Bei Norwegens 2:1-Sieg über Bulgarien, mit dem die Nordeuropäer Anschluss an Kroatien und Italien halten, kam der noch 15-Jährige Martin Ødegaard zu seinem Pflichtspieldebüt für „Norge“ und ist nun der jüngste Akteur in der Geschichte der EM-Qualifikation. „Es war ein großartiges Gefühl, zu Hause vor so vielen Zuschauern eingewechselt zu werden und dann noch drei Punkte zu holen. Alles an diesem Abend war absolut genial“, meinte der Jungstar.