Platini startet Wahlkampf: „Fußball ist keine Ware“
Estoril (dpa) - „Er ist bereits im Wahlkampf“, murmelten ranghohe Funktionäre, als Michel Platini am Rednerpult richtig in Fahrt kam.
„Fußball ist keine Ware“, rief der Präsident der Europäischen Fußball-Union UEFA bei einem emotionalen Vortrag auf dem Forum „Football Talks“ im portugiesischen Estoril. Die „einzig wirklich universelle Sportart“, „der Sport des Volkes“, müsse unbedingt von den zunehmenden Wirtschaftsinteressen wieder weg- und zu den Wurzeln, zur „Reinheit“ zurückgeführt werden.
Dass Platini bei der Präsidentenwahl des Weltverbandes FIFA am 29. Mai die Kandidatur des jordanischen Prinzen Al-Hussein unterstützt, ist kein Geheimnis. Vor einem Duell mit FIFA-Boss Joseph Blatter schreckt Platini selbst zurück. Wohl auch deshalb, weil die Chancen auf eine Niederlage Blatters als gering eingeschätzt werden. Das hindert den Franzosen aber nicht daran, vor dem Hintergrund der vielen Affären der jüngsten Zeit energisch für einen extrem sauberen Fußball einzutreten. Zuletzt hatte Platini die FIFA im Konflikt um die umstrittenen WM-Vergaben nach Russland und Katar an den Pranger gestellt und sich für mehr Transparenz und die Veröffentlichung der Ermittlungsergebnisse ausgesprochen.
„Könnt Ihr Euch zum Beispiel vorstellen, dass die portugiesische Nationalmannschaft auf den Trikots Werbung für Coca-Cola macht? Ich sage dazu: Nein!“, rief der 59-Jährige aus Joeuf bei Metz. Man müsse unbedingt die „Reinheit des Sports schützen“ und dem Sirenengesang widerstehen, dem andere Sportarten schon erlegen seien. Man werde bei UEFA-Wettbewerben zum Beispiel niemals die Namen von Sponsoren auf dem Spielball oder „wie beim American Football“ auf dem Rasen sehen, versicherte er.
Dass Platini in seiner rund halbstündigen Rede in Estoril ein Motto seines UEFA-Präsidenten-Wahlkampfes 2007 erneuerte, ist sicher kein Zufall: „Fußball ist ein Spiel, kein Produkt, ist Sport, kein Markt, ein Spektakel und kein Geschäft“, proklamierte der einstige Spielmacher der „Équipe Tricolore“ und Europameister von 1984 vehement. Der Fußball der Zukunft müsse „sozial, verantwortlich, vorbildlich und solidarisch“ sein. Er müsse unter anderem bei der Förderung von Werten und bei der Integration eine wichtige Rolle spielen, mit Regierungen und Institutionen zusammenarbeiten und „den verzweifelten Regionen der Erde Hoffnung geben.“
Bei seinem Feldzug für einen saubereren Fußball ließ „Platoche“, wie der Lothringer von seinen Landsleuten genannt wird, mit seiner jüngst erhobenen Forderung nach Einführung einer „Weißen Karte“ nicht locker. Ein zehnminütiger Ausschluss von Spielern, die auf dem Rasen sich nicht korrekt benehmen, könne dem Schutz der Ethik des Sports dienen. „Es geht nicht um Fouls. Diese Zeitstrafe wäre für jene Profis, die sich zum Beispiel in übertriebener Form über Schiedsrichterentscheidungen beschweren“, betonte er.
Als Fußballer war Filigrantechniker Platini auf jeden Fall ein Romantiker. Als Funktionär vergisst er bei allem Idealismus und mit Pathos vorgetragenen Ideen gegen Kommerz („Fußball ist kein Sport der Eliten, sondern des Volkes“, „Fußballer sind keine Tiere“), allerdings nicht, dass das Geld eine wichtige Rolle spielt. Das gute Wirtschaften sei für die Zukunft des Fußballs immens wichtig. Und da war er wieder beim Wahlkampf: Mit der Einführung des Financial Fairplay habe die UEFA die Verluste der Vereine in sehr kurzer Zeit von 1,7 Milliarden auf 800 000 Euro zurückgeschraubt, tönte er. Man könne und werde über mögliche Verbesserungen der neuen Finanz-Regeln reden, „aber die Philosophie bleibt!“