Skandalkönig Tapie wagt zum 70. neues Comeback
Paris (dpa) - Bernard Tapie ist wieder da. Das umstrittene Multitalent, das vor 20 Jahren den französischen Fußball revolutionierte, ist seit kurzem Zeitungsherausgeber. Am Samstag wird er 70, aber viele glauben, dass er trotz des hohen Alters auch ein politisches Comeback vorbereitet.
Im Fußball hat er als Clubboss Großes vollbracht, als Firmensanierer war er noch erfolgreicher - seine Abstürze waren mit Millionen-Pleiten und Gefängnisaufenthalt dafür um so brutaler. Bernard Tapie, eine der schillerndsten und umstrittensten Figuren der vergangenen 30 Jahre in Frankreich, versuchte sich auch als Minister, Schauspieler, Sänger, Buchautor und sogar als TV-Moderator. An so etwas wie „Rente“ denkt der Skandal-König und Überlebenskünstler aber noch lange nicht - auch wenn er nun 70 wird. Er übernahm gerade die wichtigsten Zeitungen Südfrankreichs. Viele vermuten (und fürchten): Der Mediencoup soll Sprungbrett für ein neues Politikabenteuer sein.
Dass er mit Hilfe seiner neuen „Sprachrohre“ das Rathaus der Mittelmeer-Metropole Marseille stürmen wolle, verneint Tapie: „Das schwöre ich beim Leben meiner Kinder“, sagte er vor wenigen Tagen dem Magazin „Le Point“. Doch die wenigsten glauben ihm. Hatte doch der deutlich jünger aussehende Draufgänger vor wenigen Monaten noch beteuert, er wolle keine Zeitungen übernehmen. Und dann kaufte er mit 51 Millionen Euro prompt die Mehrheit an der verschuldeten Gruppe Hersant Média, die unter anderem die sehr einflussreichen Regionalblätter „La Provence“ und „Nice-Matin“ herausgibt.
Nach großen Erfolgen als Chef des Radsportteams La Vie Claire übernahm er 1985 Olympique Marseille. Bald führte er den Fußball-Traditionsclub aus einer jahrelangen Krise in die beste Phase der Vereinsgeschichte. Mit ihm als Präsident gewann OM vier Ligen in Folge (1989-1992), 1993 als bis heute einziger Verein Frankreichs auch die Champions League. Zu der Zeit kickten am berühmten Alten Hafen auch die Deutschen Klaus Allofs, Karl-Heinz Förster und Rudi Völler. Franz Beckenbauer war kurz Technischer Direktor (1990-91).
Tapie avancierte damals zum wahren Volkshelden. Doch er sollte sich nicht lange darüber freuen können. Nach dem Gewinn des fünften Ligatitels in Folge kam 1993 heraus, dass Funktionäre vor dem Spiel gegen Valenciennes Schmiergelder gezahlt hatten. Der fünfte Titel wurde aberkannt, der Club 1994 in die 2. Liga strafversetzt. Zu der Zeit erklärte Tapie auch seine Insolvenz. Er wurde dann 1997 sowohl wegen Bestechung als auch wegen Unterschlagung und anderer Delikte zu mehreren Jahren Haft verurteilt, saß aber nur zehn Monate ab.
Der als Arbeitersohn in einfachen Verhältnissen geborene Tapie studierte zunächst Ingenieurswissenschaften, sang Chansons und verkaufte TV-Geräte, bevor er in den 1980er Jahren mit der Sanierung insolventer Firmen Milliarden scheffelte. Während der Präsidentschaft seines Freundes François Mitterrand wurde er zudem Minister für Städteangelegenheiten. Brutal war sein Absturz aber auch in der Geschäftswelt. Die Übernahme des Sportartikelherstellers Adidas 1990 ging nach einigen Jahren gewaltig schief. Er musste verkaufen und wurde wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten verurteilt.
Er verbrachte dann Jahre fern der öffentlichen Aufmerksamkeit. Er drehte ein paar Filme, darunter auch mit Starregisseur Claude Lelouch, hatte jedoch kaum Geld - bis er 2008 wieder schlagartig zu Reichtum kam: In der Adidas-Affäre wurden ihm 285 Millionen Euro Schadenersatz zugesprochen, weil die damals staatliche Bank Crédit Lyonnais ihn beim Verkauf des Konzerns übervorteilt haben soll.
Obwohl Tapie sagte, er vermisse den Fußball, bereitet er neben dem Zeitungsgeschäft offiziell vorerst nur eine Theater-One-Man-Show über sein Leben vor. „Ich habe zwei oder drei Sachen zu sagen“ soll im Herbst uraufgeführt werden. Seine Gegner - und das sind viele - haben auch etwas zu sagen: Wenn Tapie in die Politik gehe, werde er mit seinem „Ehrgeiz und der Politik von „König Geld“ die Demokratie in Gefahr bringen, warnt der Grünen-Politiker Sébastien Barles. Und was für ein ehrgeiziger Tausendsassa Tapie ist, ließ Beckenbauer jüngst im Interview mit „France Football“ durchblicken. „Er wollte sogar bei der Taktik mitreden, ohne ihn wäre ich länger geblieben.“