Winter-WM 2022 kommt - Niersbach warnt, Zwanziger mahnt
Zürich (dpa) - Allem Wehklagen der Fußball-Welt zum Trotz: Die Winter-WM im November und Dezember 2022 in Katar wird kommen - daran gibt es schon vor der wichtigen FIFA-Sitzung praktisch keine Zweifel mehr.
Die ungebrochene Kritik an dem umstrittenen Turnier am Golf sorgt unter den Fußball-Mächtigen aber für eigentlich unvorstellbare Allianzen. Sogar die deutschen Funktionärsfeinde Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger äußerten sich vor der entscheidenden Tagung des FIFA-Exekutivkomitees am Donnerstag und Freitag in Zürich - unabhängig voneinander - skeptisch.
„Die WM in Katar durchzuführen, ist eine Entscheidung, die man sich hätte ersparen können. Es hängt unglaublich viel an einer Verlegung in den Winter. Es geht nicht nur darum, dass wir ein WM-Finale irgendwann um den 20. Dezember haben werden“, sagte Niersbach der Deutschen Presse-Agentur. Zwanziger unterstellte den WM-Gastgebern via „Bild“-Zeitung beim Thema Menschenrechte weiter nachlässig zu sein. „Die Katarer versprechen viel, haben aber Lücken bei der Umsetzung“, sagte der frühere DFB-Chef, der von FIFA-Präsident Joseph Blatter zum Sonderbeauftragten für Katar berufen worden war.
Wenn sich Zwanziger und seine 24 Kollegen im FIFA-Exekutivkomitee in der noblen Zentrale des Weltverbandes auf dem Zürichberg versammeln, geht es im Tagesordnungspunkt 11.5 aber diesmal primär nicht um die Arbeiterrechte im Emirat, sondern um den genauen Spieltermin für die erste Winter-WM in der mehr als 80-jährigen WM-Geschichte. Knackpunkt der Diskussion ist die Frage nach der Turnierdauer und dem genauen Endspieldatum - und diese Debatte birgt noch einige Brisanz.
„Die Verlegung in den Winter ist bei allen damit verbundenen Problemen jetzt ein Konsensmodell. Ob wir das Finale am 18. oder 23. Dezember haben, werden wir sehen“, sagte Niersbach. Konkret geht es darum, wie die Zwangspause im Spätherbst für die Top-Ligen in Europa minimiert werden kann. Je länger Bundesliga, Premier League, aber auch die Champions League, pausieren oder ihren Rhythmus modifizieren müssen, desto höher werden die finanziellen Kompensationsforderungen an die FIFA ausfallen.
Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge ist als Chef der European Club Association ein Vorkämpfer für die Spitzenvereine in Europa. Den Clubs und Ligen könne „nicht zugemutet werden, allein den Preis für die Verlegung der WM in den Winter zu bezahlen. Wir erwarten ebenso die seriöse Bereitschaft, den Schaden für die Clubs fair zu kompensieren“, sagte Rummenigge, nachdem die Termin-Task-Force der FIFA Ende Februar die alleinige Empfehlung für ein Turnier im November und Dezember gegeben hatte. FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke spielte als erste Karte im Poker ein As aus: Klare Absage an alle Schadensersatzforderungen.
Niersbach warnt vor zu viel Emotionen. „Wir sind an einem Punkt, an dem wir uns entscheiden müssen, ob wir sieben Jahre lamentieren oder uns mit den Fakten befassen“, sagte er. „Wichtig ist, dass zunächst als Grundlage der internationale Spielkalender festgelegt wird. Dann muss über die Termine der Nations League, der Champions League und die nationalen Spielkalender gesprochen werden.“
Auch auf internationalem Level sorgt die Debatte für ungewöhnliche Allianzen. FIFA-Boss Blatter sympathisiert mit der englischen Premier League, die einen möglichst frühen Finaltermin wünscht (18. Dezember), um den traditionellen und finanzträchtigen Spieltermin auf der Insel am 26. Dezember nicht auch noch zu gefährden. UEFA-Boss Michel Platini, eigentlich für die europäischen Belange zuständig, will aber einen späten Finaltermin (23. Dezember), damit seine Geldmaschine Champions League noch bis in den Oktober laufen kann.
„Es gibt nicht nur die Premier League auf der Welt“, sagte der Franzose am Rande der Sitzung des WM-Organisationskomitees der FIFA am Mittwoch in Zürich. Die UEFA hätte gern einen Termin im Januar/Februar 2023 durchgesetzt. Dieser wurde von der FIFA wegen gültiger Verträge für das Jahr 2022 abgelehnt. Im Januar/Februar 2022 kann wegen der Terminkollision mit Winter-Olympia nicht gespielt werden. Für die Erkenntnis, dass im Sommer bei bis zu 50 Grad Celsius am Golf nicht gespielt werden kann, hatte die FIFA trotz Warnungen lange gebraucht.