Jupp Heynckes: Weisweiler und ich waren artverwandt
Vor 50 Jahren leitete der Trainer den Gladbacher Aufstieg ein. Sein Schüler erinnert sich.
Schwalmtal. Im April 1964 verpflichtete Borussia Mönchengladbach als seinerzeit unbekannten Trainer Hennes Weisweiler aus Lechenich bei Köln — und stellte somit die Weichen für den steilen Aufstieg des Vereins. Neben Günter Netzer und Berti Vogts spielte der damals 19-jährige Jupp Heynckes eine gewichtige Rolle. 50 Jahre später blickt Jupp Heynckes im zweiten Teil unseres Exklusiv-Interviews zurück auf die Anfänge mit Hennes Weisweiler. Unser Mitarbeiter Jochen Schmitz besuchte Heynckes in dessen Landhaus in Schwalmtal.
Herr Heynckes, Sie waren 18 Jahre alt, als Hennes Weisweiler im April vor 50 Jahren das Kommando bei Borussia Mönchengladbach übernahm. Welche Erinnerungen haben Sie an die erste Zeit mit ihm?
Jupp Heynckes: Weisweiler war ein unkonventioneller Trainer, er hat die Nähe zu uns Spielern gesucht, er hat uns immer zugehört und davon einiges in seine tägliche Arbeit einfließen lassen. Das war eine große Stärke von ihm. Als Günter Netzer beispielsweise den Zeigefinger hob und auf die vielen Gegentore hinwies, kamen Luggi Müller und Klaus-Dieter Sieloff und verstärkten die Abwehr. Da wurden wir noch variabler und unberechenbarer. Was ihn noch auszeichnete, war sein besonderes Gespür für junge Spieler.
Weisweiler war der ideale Trainer für Borussia?
Heynckes: Auf jeden Fall. Gladbach hat von ihm profitiert, umgekehrt war es genau so.
Weisweiler liebte den Angriffsfußball. Als nimmersatter Torjäger und Jüngster im Fohlen-Sturm (Laumen, Rupp, Heynckes, Netzer, Waddey, d. Red.) der Sechziger Jahre müssen Sie doch bei ihm einen Stein im Brett gehabt haben.
Heynckes: Er mochte mich von Anfang an, aber er hat auch viel gefordert. Es war ein perfekter Einstieg in meine Fußballer-Laufbahn.
Ein Glücksfall?
Heynckes: Richtig, die erste Saison mit Hennes Weisweiler war die schönste und unbeschwerteste Zeit überhaupt. Wir spielten unbekümmert, wie im Rausch, freuten uns auf jedes Spiel. Und dann sind wir 1965 ja auch gleich aufgestiegen.
Was für ein Typ war er?
Heynckes: Weisweiler war eine unumstrittene Respektperson, eine Autorität. Er war ein sehr ehrgeiziger Mensch, war nie zufrieden und hat stets nach Höherem gestrebt. Deshalb sind wir wohl auch in gewisser Weise artverwandt. Sein Ehrgeiz nach Perfektion war sehr ausgeprägt. Man könnte sagen, er war hart, aber herzlich.
Und hatten Sie später noch Kontakt miteinander?
Heynckes: Wir haben immer ein gutes Verhältnis zueinander gehabt. Ich erinnere mich noch an ein langes Telefonat Anfang der 80er Jahre, nach seiner Zeit in New York. Er fragte mich, ob er ein Angebot von Eintracht Frankfurt, die damals große Ziele anvisierten, annehmen solle oder das von Grashopper Zürich. Bei seiner Reputation und seinem Anspruchsdenken empfahl ich ihm, in die Schweiz zu gehen. Dort wurde er auf Anhieb Meister und Pokalsieger.