Vor der EM in Polen U21 besucht Auschwitz: „Fassungslosigkeit über das Grauen“

Auschwitz (dpa) - Mit gesenkten Köpfen und betretenen Mienen laufen die deutschen U21-Fußballer schweigend durch das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Einen Tag vor dem Beginn der EM in Polen besucht die komplette DFB-Auswahl um Trainer Stefan Kuntz die Holocaust-Gedenkstätte.

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„Da kamen viele Gefühle hoch, von Unverständnis über Mitleid bis hin zu Wut“, sagt Kuntz. „Das Wichtigste ist einfach, dass man das auf gar keinen Fall vergisst, was dort passiert ist.“ Man spüre eine „Fassungslosigkeit über das Grauen“, schreiben die jungen Fußballer in ihrem Eintrag in das Besucherbuch der Gedenkstätte, den alle Profis unterschrieben haben.

In stillem Gedenken, Momenten des Innehaltens und der Erinnerung an die Opfer begegnen die jungen Männer diesem „Grauen“ in Auschwitz. In Birkenau legen sie 23 Kerzen an den Gedenktafeln am früheren Krematorium nieder und schweigen eine Minute lang. „Plötzlich wird alles ruhig. Plötzlich geht man in sich, ist mit sich alleine. Und stellt sich die Frage, die sich jeder stellt, der an diesen Ort kommt. Warum?“, schreiben die Fußballer in dem Besucherbuch.

Blumen und ein Kranz mit der Aufschrift „In stillem Gedenken“, den die DFB-Delegation niederlegt, sollen an die Opfer des Holocaust erinnern. „Wir haben uns ziemlich bedrückt in einigen Situationen gefühlt, weil es einfach unglaublich ist, wie Menschen mit anderen Menschen umgegangen sind“, berichtet Kapitän Maximilian Arnold.

In Birkenau waren während des Zweiten Weltkriegs rund 1,3 Millionen Menschen ermordet worden, die meisten von ihnen Juden. In ihrer zweieinhalbstündigen Führung besucht die U21 das Stammlager Auschwitz und das Vernichtungslager Birkenau. „Ich glaube, es wird für jeden gut sein, das mal live zu sehen und die Geschichte, den Hintergrund nicht nur aus Büchern oder aus Medien mitzubekommen, sondern einfach mal dort zu sein“, sagte Thilo Kehrer vor dem Besuch. Die deutsche U21 wohnt während der EM im knapp 80 Kilometer entfernten Wieliczka bei Krakau, der Besuch der Gedenkstätte war fest eingeplant.

Vor der EM 2012 in Polen und der Ukraine hatte eine Delegation des DFB mit einigen Spielern aus dem A-Nationalteam Auschwitz besucht. Dieses Mal war nun die komplette Mannschaft dabei, Medienvertreter waren bei dem privaten Besuch nicht zugelassen.

Die Nachwuchs-Fußballer sehen sich in Polen auch als Botschafter für ihr Land. „Der Besuch war sehr wichtig, nicht nur für jeden einzelnen von uns, sondern auch, weil wir eine gewisse Vorbildfunktion haben“, sagt Kuntz. Die Jungprofis wollen sich gegen Ausgrenzung und Rassismus stark machen. „Aus der Geschichte entstehen Verantwortung und Verpflichtung, sich für Toleranz, Respekt, Offenheit und Menschlichkeit einzusetzen“, heißt es in ihrem Eintrag in dem Buch. „Heute, morgen, übermorgen. Für immer. Auf dem Platz und überall.“