WM 2018 in Russland Wie der DFB und der Bundestrainer mit Özil und Gündogan umgehen

Dortmund. Joachim Löw wurde deutlich. Jetzt musste er eine Grenze einziehen, jetzt, fühlte der deutsche Fußball-Bundestrainer, musste er für einen Moment wie eine Glucke die Hand über ihre Kinderschar halten.

Bundestrainer Joachim Löw (l) und DFB-Präsident Reinhard Grindel reden bei der Bekanntgabe des vorläufigen WM-Kaders der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für die WM in Russland.

Foto: Federico Gambarini

Und ein deutliches Zeichen setzen. Nur Fußballtrainer sein. Und vor seinen Spielern stehen.

Ob er mal darüber nachgedacht habe, fragte einer am Dienstag im Dortmunder Fußballmuseum während der Nominierung für die WM, die Spieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan nach den Aufsehen erregenden Fotos mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan vom Vortag nicht mehr für die WM zu nominieren? „Selbstverständlich nicht“, sagte Löw mit fester und verkniffener Stimme, es sollte jetzt bewusst deutlich und unzweifelhaft klingen. „Daran habe ich nicht gedacht, in keiner Sekunde.“

(Recep Tayyip Erdogan, Staatspräsident der Türkei, zusammen mit Fußballspieler Mesut Özil vom englischen Premier League Verein FC Arsenal. Foto: Uncredited/Pool Presdential Press Service/AP/dpa)

Horden von PR-Leuten und Beratern hatten im DFB seit dem Montagmittag daran gearbeitet, wie der „Süpergau“, so wurde das türkische Treffen im Internet scherzhaft bezeichnet, sich am Tag darauf wegmoderieren ließe. Man entschied sich, kurz nach vorne zu gehen, dann aber, so die erkennbare Kommunikationslinie des DFB, müsse es aber auch gut sein.

DFB-Präsident Reinhard Grindel befand, „Menschen können auch Fehler machen. Aber wir müssen das Maß wahren“. Und was er da im Internet so alles gelesen habe, so Grindel, hielt er dann eben nicht für sonderlich maßvoll. In der Tat hatte es Kübel von Ablehnung gehagelt, und freilich nicht nur aus der rechten Ecke. Die beiden in Gelsenkirchen geborenen hochtalentierten Kicker hatten dem deutschen Fußball, dem die „Integrationsarbeit so wichtig ist“, wie Grindel am Dienstag noch einmal betonte, einen Bärendienst erwiesen.

(Recep Tayyip Erdogan, Staatspräsident der Türkei, zusammen mit Fußballspieler Ilkay Gündogan vom englischen Premier League Verein Manchester City. Foto: Uncredited/Pool Presdential Press Service/AP/dpa)

Und Oliver Bierhoff, Chefdiplomat im DFB-Chor, legte nach, die Aktion sei natürlich unglücklich, weil sich die Spieler „der Bedeutung natürlich bewusst sein müssen“, aber: „Ich habe mit beiden Spielern gesprochen, ihnen war das nicht ganz klar.“ Und dann sagte Bierhoff auf seine ihm eigene Art: „Wir müssen auch wissen, wie die Türken da ticken.“ Was sein Trainer Löw danach noch etwas genauer erklärte: „Wir haben den Spieler zu verstehen gegeben, dass es keine glückliche Aktion war. Ich zeige aber auch ein bisschen Verständnis, weil bei Spielern mit Migrationshintergrund auch mal zwei Herzen in ihrer Brust schlagen, das ist für sie nicht immer einfach.“ beide hätten zu verstehen gegeben, dass sie keine politische Botschaft haben aussenden wollen. „Sie besitzen beide einen sehr, sehr guten Charakter. Beide haben für die Integration in Deutschland sehr viel getan“, sagte Löw noch und schloss mit der Aussicht, im Trainingslager in Südtirol noch einmal darüber zu reden. Tenor: Dann muss es aber auch gut sein.

Was die Sache noch etwas brisanter macht, ist die Tatsache, dass der am Dienstag nicht nominierte Emre Can vom FC Liverpool dem Treffen mit Erdogan nach einer Berichterstattung der „Welt“ trotz Einladung fern geblieben war. Das zeige, sagte einer zu Grindel, dass es ja auch anders gegangen wäre. Der Präsident antwortete: „Es wäre am besten, wenn es diese Fotos nicht gegeben hätte.“ Da ahnte der CDU-Politiker wohl schon, dass ihn und die deutsche Fußball-Nationalmannschaft das Thema noch lange begleiten wird. Und dass es sie alle während der WM aller Wahrscheinlichkeit nach immer mal wieder einholen könnte.