Brasiliens Wirtschaft hofft auf „Copa“-Effekt

Rio de Janeiro (dpa) - Brasiliens Wirtschaft ist derzeit nicht wirklich in WM-Stimmung. Magere 0,2 Prozent BIP-Wachstum wiesen die Statistiken fürs erste Quartal aus, und die Prognosen fürs Gesamtjahr werden sukzessive nach unten revidiert.

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Die Regierung weiß auch nicht so recht, warum das Wachstum vor sich hindümpelt. Sie hofft aber auf den Effekt der „Copa“. Allerdings dürften von der Weltmeisterschaft nur Teile der Wirtschaft, allen voran Hotellerie, Gastronomie und Airlines profitieren.

Fast alles wird in Brasilien zur WM in Milliarden gerechnet. Die Gesamtinvestitionen betragen nach offizieller Lesart rund 26 Milliarden Reais, inoffiziell geht man von bis zu 30 Milliarden Reais (10 Mrd. Euro) aus. Davon entfallen rund 8 Milliarden Reais allein auf die zwölf WM-Stadien. Der teuerste Fußball-Tempel entstand in Brasília mit 1,4 Milliarden Reais. Auch der Umbau von Rios Maracanã-Stadion riss die Milliarden-Reais-Grenze und das Eröffnungsstadion in São Paulo wird das nach Medienberichten wohl ebenfalls tun. Die Kosten für Infrastrukturprojekte im öffentlichen Nahverkehr und Flughäfen belaufen sich auf 14,4 Milliarden Reais.

Sportminister Aldo Rebelo setzt auf den „Copa“-Langzeiteffekt. Noch bis 2019 werde allein aufgrund der WM mit einem jährlichen Zuwachs von 0,4 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) gerechnet, sagte der Spitzenpolitiker. Insgesamt würden 3,6 Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Schon der Confederations Cup 2013 habe nach einer Studie dem BIP 9,7 Milliarden Reais (rd. 3,2 Mrd Euro) zugefügt und über 300 000 Arbeitsplätze geschaffen. Doch nach Einschätzung von Experten dürfte die WM für die Gesamtwirtschaft eher ein Tropfen auf den heißen Stein sein.

Schließlich machten die WM-Ausgaben nur 0,7 Prozent von Brasiliens Gesamtinvestitionen von 2010 bis 2014 aus, und die Auswirkungen seien zum größten Teil auch schon verbucht, analysierte die Ratingagentur Moody's. „Das 32-Tage-Event wird kurzlebige Verkaufssteigerungen bringen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass dies die Einnahmen erheblich beeinflusst, und die Störungen durch Verkehr (..) und verlorene Arbeitstage werden ihren Tribut bei der Wirtschaft fordern“, schätzt Moody's-Vizepräsidentin Barbara Mattos.

Noch deutlicher wird das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Trotz gegenteiliger Beteuerungen von Sportfunktionären und Politikern brächten sportliche Mega-Events den Ausrichterländern von Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften keine positiven wirtschaftlichen Impulse. „Die Durchführung eines relativ teuren Sportspektakels wie der Fußball-WM ist für ein Schwellenland angesichts erheblicher infrastruktureller Rückstände ein volkswirtschaftlicher Luxus“, schrieben DIW-Vorstandsmitglied Gert G. Wagner und DIW-Konjunkturexperte Karl Brenke kürzlich im „Tagesspiegel“.

An eine durchschlagende Änderung des eher kühlen Wirtschaftsklimas im Sonnenland Brasilien glauben nach einer Umfrage der Zentralbank auch heimische Analysten nicht. Anfang der Woche korrigierten sie ihre Prognose für das BIP-Wachstum 2014 von 1,63 auf 1,50 Prozent. Im WM- und Wahljahr 2014 ist die Regierung von Amtswegen optimistischer und hält an ihrer Prognose von 2,3 Prozent fest. Auch wenn sich der WM-Effekt nicht wie erhofft einstellen sollte, wird Brasilien vom PR-Effekt des Turniers profitieren, denn rund drei Milliarden Zuschauer werden die WM an den Bildschirmen verfolgen.